Ramersdorf/Perlach:CSU und Grüne wollen mitreden

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Die beiden Fraktionen im Bezirksausschuss Ramersdorf-Perlach setzen gegen die SPD einen Antrag durch, der fordert, das Stadtviertel-Gremium in die Standortsuche für Flüchtlingsunterkünfte einzubinden

Von Hubert Grundner, Ramersdorf/Perlach

Am Schluss hätte sogar die Sitzungsglocke beinahe den Dienst quittiert. Jedenfalls reichte ihr schwächliches Gebimmel kaum noch aus, damit sich Thomas Kauer (CSU) Gehör verschaffen konnte. Und Anlass, seine Kolleginnen und Kollegen zur Ordnung zu rufen, hatte der Vorsitzende des Bezirksausschusses (BA) 16 Ramersdorf-Perlach zur Genüge: Denn die Diskussion um eine eventuelle Beteiligung des Gremiums bei der Auswahl von Grundstücken für Asylbewerberunterkünfte, die CSU und Grüne beantragt hatten, lief aus dem Ruder. Die SPD auf der einen, Schwarze und Grüne auf der anderen Seite beharkten sich mit solcher Hingabe, inklusive permanenter Zwischenrufe und mehr oder minder grober Pöbeleien, dass Kauer schließlich frustriert feststellte: "Wir erleben gerade einen absoluten Tiefpunkt der Debattenkultur in unserem Gremium."

Abgestimmt werden musste trotzdem: Mit 20 zu 18 Stimmen sprach sich eine knappe Mehrheit für die BA-Beteiligung aus. Aktueller Anlass für diese Forderung: Es gebe Planungen, wie Kauer berichtete, für eine neue Flüchtlingsunterkunft an der Aschauer Straße 34 sowie zur Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen an der Ottobrunner Straße 90-92. Zwar würden die Bezirksausschüsse über solche Projekte informiert, aber nicht nach Zustimmung zu oder Ablehnung von Standorten gefragt.

Auslöser der Wortgefechte war besagter Antrag von CSU und Grünen. Darin wird der Oberbürgermeister aufgefordert, anzuweisen, dass die Task Force zur Unterbringung von Flüchtlingen und Wohnungslosen bei der Auswahl von geeigneten Flächen und Gebäuden ab sofort die Bezirksausschüsse vor einer endgültigen Festlegung des Standorts beteiligt und die Möglichkeit eines abwägenden Gesprächs dazu einräumt. Doch was sich aus Sicht der Initiatoren als naheliegende Forderung aufdrängt, birgt nach Meinung der Gegner extrem kontraproduktives Potenzial.

Doch der Reihe nach: Zuerst begründete Simon Soukup (CSU) den Antrag damit, dass die Bezirksausschüsse immer wieder verspätet oder nur auf Nachfrage über Standortplanungen für Gemeinschaftsunterkünfte (GU) informiert würden. Gerade diese Gremien aber könnten bei den Planungen aufgrund ihrer örtlichen Kenntnisse zur Vermeidung von Reibungsverlusten beitragen. Diese Expertise sollten die für die Unterbringung zuständigen Stellen frühzeitig nutzen. So wäre es für die Regierung von Oberbayern und das Sozialreferat ein Leichtes, mandatierte BA-Mitglieder über die im jeweiligen Stadtbezirk zur Verfügung stehenden Objekte zu informieren und den Versuch einer gemeinsamen Auswahl zu unternehmen. "Die Bezirksausschüsse könnten auf diesem Wege auch eigene Standortvorschläge erörtern, eine Option, die bisher gar nicht berücksichtigt wurde", heißt es am Ende des Antrags.

Sowohl Soukup als auch Christian Smolka (Grüne) verteidigten die gemeinsame Initiative gegen den Vorwurf der SPD, letztlich doch nur Obstruktion betreiben zu wollen. Ganz im Gegenteil, versicherte Smolka, er erhoffe sich sogar eine Beschleunigung bei der Einrichtung von neuen Unterkünften. Peter Wimmer (CSU) wiederum lehnte es ab, bei dem Thema eine passive Rolle einzunehmen und Stadt und Bezirksregierung einfach machen zu lassen: "Wir geben doch nicht freiwillig unser demokratisches Recht auf, an der Diskussion beteiligt zu werden."

Aus Sicht der Sozialdemokraten handelte es sich dabei aber nur um halbgare oder vorgeschobene Argumente. Markus Guinand (SPD) etwa wies den Antrag brüsk zurück, da gerade mehr Mitsprache zu Verzögerungen führen werde. Es sei aber ein Sofortprogramm notwendig, um allein heuer noch Tausende Flüchtlinge zusätzlich unterzubringen. In die selbe Kerbe schlug Astrid Schweizer (SPD). Sie erwartet ebenfalls Verzögerungen, weil weitere Sitzungstermine der beteiligten Stellen anberaumt werden müssten. Dabei bleibe den Mitarbeitern des Sozialreferats oft gar nichts anderes übrig, als umgehend Unterkünfte zu schaffen, wenn es plötzlich Menschen aufgrund unvorhersehbarer Konflikte als Flüchtlinge nach Bayern verschlägt.

Ähnlich argumentierte ihre Parteikollegin Marina Achhammer, die frühere BA-Vorsitzende. Die CSU solle nicht so tun, als säßen im Sozialreferat nur Dummköpfe, schimpfte sie. Ganz im Gegenteil, die Mitarbeiter dort suchten engagiert und kompetent nach Lösungen. Ansonsten erbat sich Achhammer von CSU und Grünen mehr Pragmatismus: Wie, bitte, sollten alle 25 Bezirksausschüsse eingebunden werden, wenn oft innerhalb kürzester Zeit reagiert werden müsse? Und auch die Behauptung, mit Hilfe des BA hätten Verzögerungen wie in der Woferlstraße verhindert werden können, ließ sie nicht gelten: Auch in diesem Gremium habe keiner von den langfristigen Mietverträgen gewusst, die einer schnellen Realisierung der GU entgegenstanden. Im Übrigen hindere ja nichts und niemand die CSU und die Grünen daran, Ideen für Standorte zu unterbreiten - gerne auch vor der eigenen Tür, ätzte Achhammer. Bis heute sei im BA aber noch kein einziger solcher Vorschlag gemacht worden, kritisierte sie. Am Ausgang der Abstimmung konnte freilich auch ihr leidenschaftliches Plädoyer nichts ändern.

© SZ vom 21.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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