Ramersdorf:Wohnungen bevorzugt

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BA Ramersdorf-Perlach ist gegen neuen Gewerbestandort an der Ständlerstraße

Von Hubert Grundner, Ramersdorf

Mit größter Skepsis verfolgen die Mitglieder des Bezirksausschusses (BA) die Entwicklung auf dem Grundstück Ständlerstraße 38. Dabei sind es weniger die Pläne des Investors und Bauherren Philipp Ullrich, die ihre Zweifel wecken. Kritik wurde vielmehr daran laut, dass die Stadt, vertreten durch die Lokalbaukommission, offenbar auf eine gewerbliche Nutzung des Areals besteht. Dabei ließen sich an der Stelle problemlos viele Wohnungen realisieren, die doch derzeit viel dringender gebraucht würden. So zumindest lautete der Tenor im Unterausschuss Bauvorhaben, in welchen Ullrich unlängst gekommen war, um den Lokalpolitikern zu erläutern, was er mit dem Grundstück vorhat.

Am Anfang aller Planungen stand Ullrich zufolge eine eingehende Analyse der Nachbarschaft und welche "Bedarfspotenziale" sich daraus ableiten lassen. Dazu ist ihm und seinem Team offenbar eine ganze Menge eingefallen. Jedenfalls reichte der Investor einen Antrag auf Vorbescheid mit einer ansehnlichen Auflistung von Nutzungen ein, die die Lokalbaukommission (LBK) derzeit prüft: Werkstattgebäude, Lehrwerkstatt, Bildungseinrichtung für Flüchtlinge, Hotel, Boarding-House, Unterkünfte für Staatsbedienstete - so lauten die Schlagworte, die in etwa umreißen, wohin die Reise gehen wird. Zumindest deutete Ullrich im Unterausschuss bereits an, dass die LBK solche Nutzungen im Grundsatz genehmigen wird.

Tatsächlich orientierte sich der Investor bei einer möglichen gewerblichen Nutzung der Immobilie stark am vorhandenen Umfeld. So legte offenbar die Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge an der Aschauer Straße den Gedanken nahe, für diese eine Lehrwerkstatt und Unterrichtsräume zu schaffen. Und auch die Idee, Unterkünfte für Staatsbedienstete zu schaffen, ist nachvollziehbar: In der Justizvollzugsanstalt Stadelheim arbeiten viele Beamte, die von auswärts kommen, nicht unbedingt viel verdienen und deshalb auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen sind.

Mit der Realisierung eines Boarding-Houses hingegen würde Ullrich eher einem Trend folgen, der schon seit längerem zu beobachten ist - und im BA Ramersdorf-Perlach vermehrt Unbehagen auslöst. Das rührt zum einen daher, dass es dort bereits einige vergleichbare Einrichtungen gibt. Zum anderen wisse man nie so recht, was dabei entstehe: Die Palette reiche von luxuriös ausgestatteten Apartments für Manager bis hin zur schlichten, mit mehreren Betten vollbelegten Einzimmer-Unterkunft für Arbeiter, wie Thomas Kauer (CSU) anmerkte. Die Frage, welche Boarding-House-Variante er denn plane, konnte Investor Ullrich allerdings nicht beantworten. Es war ihm nur zu entlocken, dass er bereits in Verhandlungen mit einem Betreiber stehe. Bauchschmerzen hatte bei dem Thema offenbar auch UA-Vorsitzender Wolfgang Thalmeir (CSU). Boarding-House, das sei "ein schillernder Begriff, unter dem ich mir nichts vorstellen kann". Seine wohl bewusst provokativ gestellte Fragte, ob man erwarten müsse, dass aus dem Boarding-House einmal ein Bordell oder eine Flüchtlingsunterkunft werden könnte, verneinte Ullrich zwar. Zugleich räumte er aber ein, dass die Entwicklung in der Zukunft nicht absehbar sei.

Bei der Nutzung des Anwesens Ständlerstraße 38 spielt schließlich auch noch der Freistaat Bayern eine Rolle. Für dessen Gemäldesammlung soll dort ein Depot errichtet werden. Da außerdem ein Hotel geplant ist, kam, wie meist bei solchen Projekten, das Thema Stellplätze zur Sprache. Laut Ullrich werden circa 120 benötigt, die in insgesamt drei unterschiedlich großen Tiefgaragen entstehen sollen. Mit der Bebauung hofft Ullrich im ersten Halbjahr 2017 beginnen zu können. Wobei noch nicht klar ist, ob die Lokalbaukommission alle erwähnten Nutzungen genehmigen wird. Was Christian Smolka (Grüne) zur Bemerkung veranlasste: "Wir können uns wohl wirklich nur überraschen lassen, was am Ende des Tages herauskommt."

Im Grunde aber waren es weniger die Pläne des Investors als vielmehr die generelle Weichenstellung, an der die Lokalpolitiker Anstoß nahmen. Die Argumentation der LBK, entlang der Ständlerstraße ein "durchgängiges Gewerbeband" erhalten zu wollen, könne er nicht nachvollziehen, sagte Thomas Kauer. Während die Stadt hier die Chance verspiele, Wohnungen zu schaffen, wo noch Platz dafür wäre, würden nur wenig davon entfernt für das Projekt "Wohnen für alle" bereits bebaute Flächen zusätzlich vollgestopft. Mit immer mehr Boarding-Houses gerate auch die Bewohnerstruktur insgesamt aus dem Gleichgewicht. "Wie soll's in der Ecke weitergehen?", fragte Kauer. In die gleiche Kerbe schlug Wolfgang Thalmeir: "Warum die Stadt hier unbedingt Gewerbe erhalten will, muss sie dem BA erst noch erklärten."

Nach dem Willen des Unterausschusses soll der BA bei der LBK nun beantragen, die planerischen Festsetzungen aufzuheben und auf dem Anwesen Ständlerstraße 38 den Weg für Wohnbebauung freizumachen.

© SZ vom 16.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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