Ramersdorf:Abschied von der Vielfalt

Statt der ursprünglich diskutierten, unterschiedlichen Nutzungen sollen auf dem Grundstück an der Ständlerstraße 38 jetzt zwei Unterkünfte für Flüchtlinge, Wohnungslose und Auszubildende entstehen

Von Hubert Grundner, Ramersdorf

Es ist gerade einmal drei Monate her, dass Investor Philipp Ullrich dem Unterausschuss (UA) Bauvorhaben seine Pläne für das Grundstück Ständlerstraße 38 vorgestellt hat. Es war die Rede von einer Art Potpourri aus einer Lehrwerkstatt und Unterrichtsräumen für Flüchtlinge, einem Hotel, einem Boardinghouse, einem Depot für die Gemäldesammlung des Freistaats sowie - wegen der Nähe zur Justizvollzugsanstalt Stadelheim - von Unterkünften für Staatsbedienstete. Zwar standen konkrete Genehmigungen im Sommer noch aus. Doch erweckte Ullrich bei den Mitgliedern des Bezirksausschusses (BA) Ramersdorf-Perlach den Eindruck, eine abwechslungsreiche gewerbliche Nutzung anzustreben.

Davon scheint er inzwischen abgerückt zu sein. Wie UA-Vorsitzender Wolfgang Thalmeir (CSU) in der jüngsten BA-Sitzung erläuterte, ist nun an der Ständlerstraße 38, Ecke Traunreuter Straße, der Bau einer Flüchtlingsunterkunft geplant, die in den Unterlagen offenbar als "Bürgerwohnheim" firmiert.

Insgesamt sollen dort 151 Personen in Apartments untergebracht werden, wobei jedes Apartment über eine kleine Küchenzeile und ein eigenes Bad verfügt. Die Apartments sind laut Beschreibung zwischen elf und 15 Quadratmeter groß und werden jeweils einzeln belegt. Als künftige Bewohner seien anerkannte Flüchtlinge mit Bleibeperspektive in München (60 Prozent) sowie Wohnungslose und Auszubildende (40 Prozent) vorgesehen.

Wie Thalmeir weiter erläuterte, sei in der Betriebsbeschreibung angemerkt, dass das städtische Sozialreferat respektive das Amt für Wohnen und Migration die entstehenden 151 Apartments übernehmen werde. Diese sollen dann preisgünstig Personen mit dringendem Wohnbedarf zugewiesen werden, wobei aber grundsätzlich keine langfristige Unterbringung angestrebt sei. Ergänzend soll ein freier Träger beziehungsweise privater Betreiber mit Fachkräften die sozialpädagogische Arbeit zur Integration der Mieter in die Stadtgesellschaft übernehmen. Die Unterstützung der Bewohner zielt insbesondere auf die Bereiche Bildung, Ausbildung und Vermittlung von Arbeit.

Wie dem Unterausschuss Bauvorhaben vom Planungsreferat außerdem mitgeteilt wurde, gebe es einen städtebaulichen Vertrag, der eine gewerbliche Nutzung des Grundstücks vorschreibe. Dieser städtebauliche Vertrag sei für die Lokalbaukommission (LBK) bindend. Das Vorhaben sowie die geplante Nutzung als "Bürgerwohnheim" wurde bereits mit Vorbescheid der Stadt genehmigt. Wie es in dem UA-Bericht weiter heißt, soll in dem unmittelbar nördlich angrenzenden Grundstücksabschnitt ein weiteres Gebäude errichtet werden, für das eine nahezu identische Nutzung geplant ist.

Im Unterausschuss stießen diese Pläne auf wenig Gegenliebe. Es gebe bereits mehrere gleichartige Projekte in der Umgebung, monierte das Gremium. Dazu zählen "Wohnen für alle" an der Ständler-/Balanstraße, eine Asylbewerberunterkunft an der Aschauer Straße sowie eine geplante Unterkunft für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge an der Balanstraße. Darüber hinaus sei unmittelbar gegenüber, auf dem Grundstück Ständlerstraße 45, ein Boardinghouse mit Wohneinheiten, die ebenfalls Apartmentcharakter haben, genehmigt worden.

Weshalb das Anwesen Ständlerstraße 38 nicht dem Wohnungsbau zur Verfügung gestellt werden kann, entziehe sich der Kenntnis des UA "und ist nicht nachvollziehbar. Sollte tatsächlich ein städtebaulicher Vertrag existieren, müsste geprüft werden, ob dieser nicht gekündigt oder in sonstiger Weise aufgehoben werden kann".

Der Bezirksausschuss hat schließlich einstimmig die UA-Empfehlung übernommen und will jetzt zunächst bei der Stadt anfragen, ob eine Anmietung des geplanten Gebäudes beziehungsweise der beiden geplanten Gebäude beabsichtigt und notwendig ist. Ferner wollen die Lokalpolitiker vom Planungsreferat wissen, weshalb eine gewerbliche Nutzung des Grundstücks zwingend erforderlich ist und ob der immer wieder erwähnte städtebauliche Vertrag tatsächlich existiert. Sollte der Vertrag vorhanden sein, will man erstens den Antrag stellen, dass der BA-Vorsitzende Akteneinsicht erhält. Zweitens verlangt man Auskunft, ob und welche Möglichkeiten bestehen, den Vertrag zu kündigen beziehungsweise im gegenseitigen Einvernehmen aufzuheben. Fast noch wichtiger aber ist dem Bezirksausschuss, alle Möglichkeiten auszuloten, das Grundstück Ständlerstraße 38 kurzfristig für die Entwicklung eines qualitätsvollen Wohnungsbaus zur Verfügung zu stellen.

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