Rainer Langhans' Autobiographie:Unbefriedigender Erguss

Der Alt-68er und Ex-Kommunarde Rainer Langhans sucht seine Bestimmung seit fast vierzig Jahren im Spirituellen. Nun gibt es seine Lebensgeschichte als Buch - die Lektüre langweilt.

Michael Ruhland

Der Ort passt, das Interieur auch, das Vorprogramm nicht. Während vorne im Café King ein ZDF-Kameramann von "Hallo Deutschland" die Ausleuchtung testet, müht sich der FC Bayern auf der Großleinwand im Nebenraum vergeblich, in den letzten Minuten der Partie doch noch das 2:1 gegen den HSV zu schießen.

Rainer Langhans' Autobiographie: Rainer Langhans stellt im Münchner Café King sein Buch "Ich bin's" vor.

Rainer Langhans stellt im Münchner Café King sein Buch "Ich bin's" vor.

(Foto: Foto: Heddergott)

Eine Stunde später, als die Fotografen hier Rainer Langhans und seine beeindruckende Mähne ins richtige Bild setzen, wirkt der hohe, kahle Raum anders: Ein paar Matratzen noch zu den abgewetzten Sesseln - dann könnte in der früheren Tankstelle in der Müllerstraße auch eine 68er-Kommune gehaust haben.

Als Langhans sein Buch "Ich bin's. Die ersten 68 Jahre" vorstellt, ist der Laden gerammelt voll. Dutzende hocken im Schneidersitz auf dem nackten Betonboden und lauschen den Worten des bald 68-Jährigen, der, obgleich seit fast 40 Jahren in fernen spirituellen Welten unterwegs, immer noch als Ikone der Achtundsechziger gilt.

"Es gab niemanden, den wir bekämpfen wollten, vielmehr wollten wir aufzeigen, wie man freier und schöner leben konnte. Das war die Kommunepolitik", erzählt Langhans in seinem Buch. Und: Alle seien sie damals gekommen, Hans Magnus Enzensberger, Handke, Marcuse, Cohn-Bendit. Aber auch neugierige Schüler, Sinn suchende Studenten, Künstler, Musiker.

Heute lässt Rainer Langhans erst einmal warten. "Wir waren wirklich total anders. Und deswegen wurden wir auch zu Stars. Popstars", heißt es im Buch. Stars lassen gerne warten - aber der Ex-Kommunarde, ein Star? Die Erklärung liefert eine junge Frau von Blumenbar-Verlag, und diese ist profaner Natur, wenngleich sakral bestimmt: Langhans gehe sonntags immer zu seiner "Satsang-Meditation", zwei Stunden lang. Dies sei ihm heilig.

Nun könnte man fragen, warum die Buchpräsentation nicht einfach später anberaumt worden ist, aber das wäre vermutlich spießig - und gegen das bürgerliche Spießertum mit seiner Verklemmtheit und Prinzipienreiterei setzten die Kommunarden ja damals ihr Gegenmodell.

Langhans erscheint, wie immer ganz in Weiß, und soll, was er (noch) nicht weiß, den Anfang seines Buches selbst lesen. Der Vorschlag des Verlagsteams gefällt ihm nicht wirklich. "Ich war am Anfang entsetzt über das, was da geschrieben stand", gesteht Langhans und spricht von "Weichspülung" und "Verharmlosung".

Dazu muss man wissen, dass das Buch auf der Grundlage von Gesprächen entstanden ist, die der Journalist Wolfgang Farkas mit ihm geführt hat. Als Langhans sagt, er schäme sich, Auszüge vorzulesen, kokettiert er sicherlich ein wenig (ihn hat ja keiner zu dem Buchprojekt gezwungen), trifft aber unfreiwillig den Kern: Das Buch ist in einigen Teilen einfach peinlich.

Man will eigentlich nicht wirklich wissen, dass Langhans mehrmals Frauen auf Knien um Beischlaf anflehte, mit seiner ersten Freundin Birgit "den einzigen richtigen Orgasmus meines Lebens" hatte, Uschi Obermaier beim Sex neue Techniken und die Langsamkeit beibrachte, und dass sich der Autor in der Gegenwart um Samenverminderung bemüht ("Ein Samenerguss ist etwas, das laut Meister auf keinen Fall sein darf. Weil das auch für den Körper schlecht ist - und nur der Kindszeugung vorbehalten"). Sexuelle Revolution hat man sich irgendwie anders vorgestellt.

Okay, es gibt auch interessante Passagen, etwa wie die Kommune 1 die Medien geschickt für ihre Zwecke einzuspannen verstand. Die Schauspielerin Anna Böger hat sich die besten herausgesucht und trägt sie spannend vor - doch das Buch krankt daran, dass es weder Bio- noch Autobiografie ist, sondern aus Gesprächen zusammengesetztes Lebensstückwerk.

Auch wenn der Verlag "Eigenheiten der mündlichen Rede" bewusst beließ: Der Stil ist verhunzt, man stöhnt beim Lesen - nicht vor Lust. Er wäre besser beraten gewesen, es bei dem hübschen Bildband "K1. Das Bilderbuch der Kommune" zu belassen.

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