Räterepublik:Auf den Spuren der Revolution in München

Räterepublik: Demonstrationszug des Arbeiterrates in München mit Kurt Eisner (sitzend im Fond des Wagens) im Februar 1919.

Demonstrationszug des Arbeiterrates in München mit Kurt Eisner (sitzend im Fond des Wagens) im Februar 1919.

(Foto: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo)

Novemberrevolution und Räterepublik haben München und Bayern geprägt. 1918 ergriffen Dichter die Macht, sie wollten Literatur zu Politik werden lassen - und scheiterten. Was ist geblieben, in den Straßen und in den Köpfen?

Von Holger Gertz

In München herrscht im Moment revolutionäre Stimmung, was nicht - oder nicht in erster Linie - zu tun hat mit der CSU und der Lage des alten Regenten Seehofer. Nein, es geht tatsächlich noch tiefer. In einem Jahr feiern historische Ereignisse ihr hundertstes Jubiläum, die München und Bayern geprägt haben. Die Novemberrevolution des Kurt Eisner und, später, die Räterepublik, in der die Dichter die Macht ergriffen.

Gustav Landauer, Erich Mühsam, Ernst Toller versuchten, Literatur zu Politik werden zu lassen. Sie scheiterten, aber die Entwicklungen vor hundert Jahren interessieren und faszinieren die Menschen auch heute, wo in Europa, auf andere Art, auch gerade wieder alte Ordnungen ins Wanken geraten.

Im Münchner Stadtmuseum ist eine umfangreiche Eisner-Ausstellung bis 2018 verlängert worden, im Literaturhaus am Salvatorplatz wurde soeben ausführlich das Werk (und vor allem das Leben) von Oskar Maria Graf gewürdigt, liebevoll und wertschätzend zusammengestellte Erinnerungen an einen großen Autor, der bei der Novemberrevolution auch schon dabei war. Ein junger Mann, der sich mitreißen ließ von der Stimmung und mitrannte und selbst eine Rede im Wirtshaus hielt. Aber dann fiel ihm nichts Vernünftiges ein.

Die Bayern-SPD wünscht sich den 8. November im nächsten Jahr als zusätzlichen Feiertag. Das Thema hängt sehr hoch. "Der 8. November 1918 hat für den Freistaat Bayern eine Bedeutung, die der des 14. Juli 1789 für Frankreich oder der des 4. Juli 1777 für die USA in nichts nachsteht", heißt es in einem Schreiben des SPD-Fraktionschefs Rinderspacher an Ministerpräsident Seehofer, dem die alte Revolution womöglich grad nicht so wichtig ist wie die Verhinderung einer möglicherweise anstehenden neuen.

Was ist geblieben, in den Straßen und in den Köpfen? Wie hängt die Vergangenheit mit der Gegenwart zusammen? Das Aufbegehren gegen die Obrigkeit ist ja etwas zutiefst Bayerisches - sagen sie jedenfalls in Bayern. Wenn die Dichter gewonnen hätten, wäre sogar die Geschichte des Weltfußballs anders verlaufen, denn in all die schönen Pokale hätte man nicht "FC Bayern" eingravieren müssen, sondern "FC Baiern." Ein Unterschied, viel größer als der zwischen I und Y.

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