Radfahrer in München:Neben der Spur

Fahrradclub gegen Autoclub: Der ADFC wünscht sich, dass Radler auf Hauptverkehrsadern öfter die Straße nutzen dürfen, doch der ADAC warnt vor künstlichen Staus. Das Planungsreferat muss jeden Fall einzeln prüfen.

Von Melanie Staudinger

Die Stadtverwaltung ist optimistisch gewesen. An der Kapuzinerstraße zwischen Lindwurmstraße und Baldeplatz habe man endlich eine "verkehrsgerechte Lösung" gefunden: einen eigenen Streifen für die Radfahrer und trotzdem noch genügend Platz für Autos und Buslinien. Fahrradverbände feierten die sichere Verbindung, Autofahrer stören sich bis heute am Radstreifen, für den sie eine Spur aufgeben mussten. Sie schimpfen über die langen Staus.

Mit Zahlen lassen sich beide Positionen bisher kaum belegen - die Evaluierung des Planungsreferats steht noch aus. Auch die Polizei tut sich schwer mit einer Beurteilung. "Unfallmäßig haben wir keine Besonderheiten festgestellt", sagt Michael Reisch, erster Polizeihauptkommissar in der Verkehrsabteilung des Münchner Präsidiums. Und die Autos? "Durch den Ausfall der Fahrstreifen staut sich der Verkehr manchmal bis zur Isar", sagt Reisch. Das aber habe es zuvor auch gegeben.

Der Fall der Kapuzinerstraße offenbart einen der Gründe für Verkehrsprobleme der Stadt: Der Platz ist endlich. Fußgänger, Radfahrer und motorisierte Fahrzeuge müssen ihn sich teilen. Schwierig ist das vor allem an den Hauptverkehrsadern. In Tempo-30-Zonen gilt grundsätzlich Mischverkehr. Radfahrer fahren hier selbstverständlich auf der Straße. Eine solche Regelung wünscht sich der ADFC, der die Radfahrer in München vertritt, für viel mehr Straßen. Denn aus Sicht der Radler ist die Rechnung einfach: Fährt er auf der Straße im fließenden Verkehr mit, ist das sicherer für ihn, auch wenn er näher an den Autos dran ist. "Er wird besser gesehen", sagt Traudl Schröder, Sprecherin des ADFC München. Schröder fordert daher ein Umdenken. Der Radverkehr brauche mehr Platz, wenn er noch attraktiver werden solle. "Die eierlegende Wollmilchsau gibt es nicht", sagt Schröder. Was sie meint: Flächen lassen sich nicht beliebig vermehren, Autofahrer sollen zurückstecken, auf Rad oder den öffentlichen Nahverkehr umsteigen. "In München muss noch viel passieren", erklärt die Expertin.

"Autos nicht aus der Stadt sperren"

Allerdings hat die Stadt bereits auf einigen Straßen dauerhafte Rad- und Schutzstreifen markiert, an der Maximilian-, Von-der-Tann-, Leonrod-, Brienner, Orleans-, Balan-, Einstein-, Baumkirchner, einem Teil der Rosenheimer, der Riemer, der Kapuziner- und der Tierparkstraße sowie am Baldeplatz. An diesen Stellen, so argumentiert das städtische Planungsreferat, ist die Herausnahme der Fahrspuren verkehrsverträglich gewesen.

Radfahrer in München: In der Brienner Straße hat die Stadt einen dauerhaften Radstreifen markiert.

In der Brienner Straße hat die Stadt einen dauerhaften Radstreifen markiert.

(Foto: Robert Haas; Robert Haas)

Das sehen Vertreter des ADAC naturgemäß anders. "Man kann Autos nicht aus der Stadt sperren", sagt Axel Arnold, Sprecher des ADAC Südbayern. Die Innenstadt lebe von der Mobilität der Menschen - egal ob sie zu Fuß, mit dem Rad oder mit dem Auto unterwegs seien. "Fahrradspuren erzeugen künstliche Staus, die auch nicht im Sinne der Umwelt sind", erklärt Arnold. Zudem gebe es Menschen, die aus beruflichen oder gesundheitlichen Gründen auf das Auto angewiesen seien. Auf sie müsse Rücksicht genommen werden bei all den Planungsvorhaben.

Eine Gratwanderung

Die Entscheidung, ob auf großen Verkehrsadern Autospuren zugunsten von Radfahrstreifen aufgegeben werden sollen, macht sich das Planungsreferat daher nicht einfach. "Das ist immer eine Gratwanderung. Wir müssen jeden Einzelfall sorgfältig prüfen", sagt ein Sprecher. Auf keinen Fall soll es passieren, dass Autos oder gar große Lastwagen die breiten Straßen wegen Staugefahr meiden und lieber in kleinere Anwohnerstraßen ausweichen. "Aus sensiblen Bereichen wollen wir den Durchgangsverkehr möglichst heraushalten", erklärt der Sprecher. Jeder Maßnahme gehe eine umfassende Prüfung voraus, die die Auswirkungen zu prognostizieren versuche.

Und dennoch wird es immer wieder Diskussionen geben, wie zur Zeit gerade in der Rosenheimer Straße. Im Koalitionsvertrag der neuen Rathausregierung steht dazu nur knapp: "In der Rosenheimer Straße wird ein Radweg unter der Bedingung gebaut, dass die bestehenden Fahrspuren erhalten werden können." Wie genau das funktionieren soll, müssen die Untersuchungen erst noch zeigen.

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