Quarantänestation:Tierschützer kämpfen gegen illegalen Hundehandel

Quarantänestation: Pinocchio darf nach mehr als zwei Monaten aus der Quarantäne des Tierheims: Behörden hatten das Tier einem kriminellen Welpenhändler abgenommen.

Pinocchio darf nach mehr als zwei Monaten aus der Quarantäne des Tierheims: Behörden hatten das Tier einem kriminellen Welpenhändler abgenommen.

(Foto: Tierheim)
  • Der Tierschutzverein beobachtet, dass immer mehr Welpen und Katzen aus Osteuropa in München ausgesetzt, verkauft und gehandelt werden, oft online.
  • Der Preis ist meist sehr niedrig - und die Tiere oft krank. Amtstierärzte warnen vor Tollwut.
  • Tierschützer wollen nun im Namen der Tiere klagen können und planen eine Demonstration.

Von Elisa Harlan

Jetzt ist Pinocchio endlich frei und kann die Quarantänestation verlassen. Er tappt vorsichtig auf dem grauen Steinboden herum und fährt sich mit seiner braunen Pfote über das rechte Schlappohr. Seine Leine wickelt sich um ein Stuhlbein, Pinocchio hängt fest. Die Tierpflegerin fädelt ihn routiniert wieder aus und setzt ihn in ihre Armbeuge.

Seit Anfang August war der Pinscher-Rüde auf der Quarantänestation des Münchner Tierheims. Die Behörden hatten ihn einem kriminellen Welpenhändler aus Osteuropa abgenommen. Mehr als zwei Monate musste er abgeschirmt in seinem Zwinger bleiben. "Furchtbar" und "eigentlich nicht mit dem Tierrecht vereinbar", findet das die Chefin des Tierheims, Sandra Giltner.

Doch ihr bleibt nichts anderes übrig, als Hunde wie Pinocchio in einen wenige Quadratmeter großen, mit Beton ausgegossenen Käfig zu sperren. Die Gefahr, die den deutschen Amtstierärzten große Sorge bereitet, heißt Tollwut. Wenn die Tiere, die irgendwo im Raum München aufgesammelt werden, keinen vertrauenswürdigen Impfpass haben, landen sie hier auf der Quarantänestation des Tierheims. Der Seuchenschutz geht dann vor Tierschutz. Dass die Angst, dass ein solches Tier mit Tollwut infiziert sein könnte, keine Panikmache ist, hat mit dem weltweiten, teils kriminellen Geschäft mit Haustieren zu tun.

"Sie kommen zu uns und sind verfloht, ausgetrocknet und krank"

Der Tierschutzverein München beobachtet seit etwa zwei Jahren, dass immer mehr Welpen, aber auch Katzen aus Osteuropa in München ausgesetzt, verkauft und gehandelt werden. "Sie kommen zu uns und sind verfloht, ausgetrocknet und krank", sagt Giltner. Als Herkunftsländer vermutet sie Rumänien, Russland und Bulgarien. Über Internetforen, Ebay und bei Messen werden die Tiere angeboten und ihr Preis verhandelt. Der ist meistens sehr niedrig, zumindest niedriger als bei einem deutschen Züchter.

Giltner kann das nicht verstehen: "Die Leute sind sich nicht im Klaren darüber, dass sie sich unter Umständen eine tödliche Gefahr nach Hause holen". In vielen osteuropäischen Ländern, zum Beispiel in der Ukraine, ist Tollwut sehr verbreitet. Und wer nicht geimpft ist, ob Tier oder Mensch, stirbt. Auch in Deutschland gibt es noch keine Behandlung, die gegen das Virus hilft. Giltner, die selbst Tierärztin ist, zeigt auf den Quarantänezwinger. An dem hohen Metallgestänge sind Verbotschilder angebracht, die warnen vor der Infektionsgefahr.

Um nicht so machtlos wie bisher dem illegalen Welpenhandel ausgesetzt zu sein, kämpfen Giltner und der Tierschutzverein mit Vorstandschef Kurt Perlinger für ein sogenanntes Verbandsklagerecht. Die Forderung ist nicht neu, durch den Welpenhandel ist sie aber aktueller denn je. Der Tierschutzverein will, dass es in Bayern möglich wird, als Verband gegen Tierrechtsverletzungen vorzugehen und sich dabei auf das Tierschutzrecht zu berufen.

Kundgebung am Odeonsplatz

Bislang ist es so, dass Tierschutzverbände sich nur an die Staatsanwaltschaft wenden können. Ob die dann Anklage erhebt oder das Verfahren einstellt, entscheidet sie selbst. Mit einem Klagerecht könnten Tierschutzorganisationen selbst klagen, im Namen der Tiere. "Wenn wir ein solches Recht hätten, könnten wir auch mehr gegen die Welpenhändler vorgehen", sagt Perlinger.

Am 8. Oktober wollen die Tierschützer für ihr Anliegen auf die Straße gehen, die Kundgebung startet um 16 Uhr auf dem Odeonsplatz. Andere Bundesländer wie Baden-Württemberg haben dieses Verbandsklagerecht schon, Bayern ziert sich. "Die Staatsregierung ist zu sehr abhängig von den Lobbyisten aus der Landwirtschaft", schimpft Perlinger. Die sähen ein solches Recht für Tierschutzverbände gar nicht gerne, da sie auch selbst damit angreifbar würden.

Um in den nächsten Jahren die Welpen besser unterzubringen, sollen in Riem neue Quarantäneboxen gebaut werden. 140 solcher Hundewelpen sind allein im Jahr 2014 ins Münchner Tierheim gekommen. Zu den zwölf bestehenden Boxen sollen nochmals zwölf bis 15 hinzu kommen.

Pinocchio hat Glück, er muss die Boxen erst einmal nicht mehr wieder sehen. Sein erster Tag in Freiheit endet auf dem Arm seiner Pflegerin, die Augen stehen vor Müdigkeit halb offen. Er gilt jetzt als gesund und kann darauf hoffen, eine Familie zu finden.

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