Qualitätsbericht von Münchenstift:Das gläserne Pflegeheim

Baustelle am Luise-Kiesselbach-Platz in München, 2010

Sowohl personelle als auch bauliche Veränderungen hatten die Missstände im Münchenstift-Haus St. Josef zur Folge.

(Foto: Catherina Hess)
  • Die Münchenstift-GmbH hat einen Bericht über sich selbst veröffentlicht, in dem Probleme in den eigenen Pflegeheimen offen angesprochen werden.
  • Vor zwei Jahren zeigten heimlich aufgenommene TV-Aufnahmen Misshandlungen von Bewohnern der Münchenstift-Pflegeheime.

Von Sven Loerzer

Wenn Unternehmen Geschäftsberichte vorlegen, geraten sie leicht in Versuchung, die Lage zu beschönigen und all das, was in der Öffentlichkeit nicht gut ankommt, zu übergehen.

Die gemeinnützige städtische Münchenstift-GmbH - sie ist mit 30 Prozent Marktanteil größter Anbieter von stationärer Altenpflege in München - geht einen anderen Weg. Geschäftsführer Siegfried Benker und die Aufsichtsratsvorsitzende, Bürgermeisterin Christine Strobl, haben jetzt einen 120 Seiten umfassenden Qualitätsbericht vorgelegt, der für das Jahr 2014 nicht nur gute Ergebnisse präsentiert, sondern auch Probleme benennt, wie die Missstände im Haus St. Josef.

Die vor zwei Jahren in einem mit versteckter Kamera gedrehten TV-Bericht gezeigten Misshandlungen von Bewohnern hätten die Mitarbeiter in ihrem Selbstverständnis tief erschüttert, sagt Benker. "Wir haben die Situation nicht beschönigt, sondern auf allen Ebenen Konsequenzen gezogen." Der Film sei in allen Häusern gezeigt und mit den Mitarbeitern diskutiert worden.

Nur noch ein Dokumentationsmangel

Zu den Konsequenzen gehörten ein Aufnahmestopp, Fortbildungen und bauliche Veränderungen. So wurde ein Wohnbereich mit 70 Bewohnern geteilt und der räumlich am wenigsten attraktive Wohnbereich geschlossen. Dort entstehen Personalwohnungen. Der jüngste Bericht der Heimaufsicht bestätige Anfang des Jahres, dass wiederholt festgestellte und erhebliche Mängel in der Pflege behoben sind. Lediglich ein Dokumentationsmangel sei noch festgestellt worden.

In allen anderen Häusern wurden 2014 keine Mängel in der Pflege festgestellt. Die 1850 Mitarbeiter, die sich um 2400 Münchenstift-Bewohner kümmern, hätten die insgesamt hohe Qualität im vergangenen Jahr halten können, betont Benker. Beanstandet wurde allerdings, dass zu wenige Fachkräfte mit gerontopsychiatrischer Zusatzausbildung in den Häusern beschäftigt sind. Weil die auf dem Stellenmarkt nicht zu bekommen seien, setzt das Unternehmen auf die Qualifizierung eigener Kräfte, um die gesetzliche Vorgabe erfüllen zu können.

Um künftig frühzeitig Probleme in einzelnen Wohnbereichen zu erkennen, will Benker das Frühwarnsystem über die zentrale Abteilung Qualität verbessern. Dort werden Indikatoren wie die Häufigkeit von Druckgeschwüren oder Stürzen ausgewertet, oder etwa der Einsatz von freiheitsentziehenden Maßnahmen zum Schutz der Bewohner, wie etwa Bettgitter und Gurtsysteme.

Kaum noch freiheitsentziehende Maßnahmen

Weil gerade sie den gebrechlichen Bewohnern die letzte Freiheit nehmen, haben sich die Münchenstift-Heime in den vergangenen drei Jahren um Alternativen bemüht und viel Geld in absenkbare Betten, Funkmeldesysteme und andere Hilfsmittel investiert - mit Erfolg. Lediglich bei zwei Bewohnern wurden Ende 2014 noch richterlich genehmigte freiheitsentziehende Maßnahmen eingesetzt, sagt Susanne Krempl, Leiterin der Abteilung Qualität.

Dabei gelten knapp 88 Prozent aller Bewohner als sturzgefährdet. Trotz des weitgehenden Verzichts auf Gitter und Gurt sei aber die Zahl der Bewohner, die mindestens einmal im Jahr gestürzt sind, mit knapp 1600 relativ konstant geblieben. Unter Druckgeschwüren litten 269 Bewohner, 149 davon hatten sich die schmerzenden Hautschädigungen im Krankenhaus oder der häuslichen Pflege zugezogen.

Der Bericht sei in seiner Ausführlichkeit für einen Pflegeheimträger bundesweit einmalig, betont Benker. Absolute Offenheit zahle sich aus, erklärt Christine Strobl. Das zeige sich auch an dem hohen Vertrauen der Münchner: Annähernd 99 Prozent betrage die Auslastung der Münchenstift-Heimplätze, während die durchschnittliche Belegung aller Pflegeheime in München bei 90,4 Prozent lag. "Die Münchner Senioren wissen, dass sie im Münchenstift gut aufgehoben sind."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: