Prüfung:Schätzung mit Risiko

Warum der Revisionsbericht kein Befreiungsschlag war

Von Sven Loerzer

Fünf Seiten nur umfasst der Bericht des Revisionsamtes zu den Versäumnissen im Jugendamt, mit Ursachen beschäftigt er sich nicht. Doch trotz der dürren Worte der Rechnungsprüfer lässt sich erkennen, dass der von OB Dieter Reiter für den Rechnungsprüfungsausschuss des Stadtrats bestellte Bericht als Befreiungsschlag für die Sozialreferentin Brigitte Meier nicht taugte.

Denn das Revisionsamt stellt klar, dass es sich bei dem vorgelegten Zahlenwerk nur um die "Schätzung eines möglichen Erstattungsrisikos" handelt. Dieses ist dadurch entstanden, dass Anträge auf Kostenerstattung für die Unterbringung und Betreuung junger Flüchtlinge aus den Jahren 2012, 2013 und 2014 noch nicht bei den zuständigen Trägern geltend gemacht worden sind. Ende vergangenen Jahres ging das Revisionsamt davon aus, dass der Stadt ein Schaden von bis zu 178 Millionen Euro entstehen könnte. Da aber seit Mitte November eine Task Force im Sozialreferat Akten sichtete und die Forderungen bearbeitete, reduzierte sich die Summe.

Wie hoch der Betrag tatsächlich sein wird, der der Stadt entgeht, dazu trifft auch dieser Revisionsbericht keine Aussage. Knapp 2700 Fälle des Jahres 2014 hat das Revisionsamt nach dem Erstattungsrisiko bewertet. Eine zusätzliche Schwierigkeit bei der Einschätzung ergibt sich daraus, dass es bislang noch unterschiedliche Rechtsauffassungen gibt, welche Ausschlussfristen für die Rückerstattung gelten. Das Bundesfamilienministerium habe sich dazu nicht eindeutig und abschließend geäußert, erklärte das Revisionsamt. Je nach Rechtsauffassung seien 248 oder 373 Fälle aus dem Jahr 2014 mit einem Erstattungsrisiko behaftet, mithin sind es also einer Schätzung zufolge, wie das Amt betont, 1,138 oder 1,999 Millionen Euro, die der Stadt durch die Schlamperei im Jugendamt entgehen können.

Bei der Ermittlung der Summe legte das Revisionsamt die vom Jugendamt bezifferten Tagessätze in Höhe von 120 Euro für Erziehungshilfeleistungen und in Höhe von 140 Euro bei Inobhutnahme zu Grunde. Die Richtigkeit der Beträge habe man nicht überprüfen können. Deshalb sichert sich das Revisionsamt ganz ausdrücklich ab, indem es betont: "Die genannten Erstattungsrisiken ergeben sich auf Basis der Daten des Stadtjugendamts." Zudem seien inzwischen Einzelfallklärungen mit den jeweils zuständigen Trägern erfolgt. Dadurch könnte sich das Risiko je nach Auffassung zu den Fristen noch um 125 000 oder um 267 000 Euro verringern.

Allerdings relativiert das Revisionsamt die Aussagekraft seiner Zahlen: "Durch die Kürze der Bearbeitungszeit konnte eine vollständige Plausibilitätsprüfung der übrigen Fälle der Jahre 2012 und 2013 und eine durchgängige stichprobenartige Aktenprüfung für die Jahre 2012 bis 2014 nicht durchgeführt werden." Außerdem fehlten zu 28 Fällen aus 2014 die Akten. Schließlich verweist das Revisionsamt auch noch darauf, dass es sich auf die vom Stadtjugendamt elektronisch erfassten und abgestimmten Fallzahlen verlassen hat: "Bei unrichtigen Angaben könnten weitere Fälle risikobehaftet sein." Möglich sei aber auch, dass Kostenträger die verspäteten Rechnungen bezahlen, obwohl der Erstattungsanspruch rechtlich nicht mehr durchsetzbar ist. Wie realistisch das ist, ließ das Revisionsamt offen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: