Prozessauftakt:Korruption und Krempel

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Auch Fernseher verscherbelten die Mitarbeiter der Wertstoffhöfe an Gebrauchtwarenhändler weiter, die mit den Waren viel Gewinn erzielten. (Foto: Robert Haas)
  • Mehmet B. und Salih Z. müssen sich seit Donnerstag vor dem Münchner Amtsgericht verantworten.
  • Sie sollen Mitarbeiter des städtischen Abfallwirtschaftsbetriebes bis zum Frühjahr 2014 dazu angestiftet haben gut erhaltene Elektrogeräte, Möbel und anderen Hausrat beiseite zu legen - die Waren haben dann die beiden Männer weiter verkauft.
  • Sie verdienten damit zuletzt angeblich 4400 Euro im Monat.

Von Christian Rost

Seit im Frühjahr 2014 bei einer Razzia 180 Polizisten auf den zwölf Münchner Wertstoffhöfen anrückten, hat sich bei den zwölf Sammelstellen des städtischen Abfallwirtschaftsbetriebs (AWM) einiges geändert. Videoanlagen überwachen jetzt den Betrieb, für die Mitarbeiter gilt ein Rotationsprinzip, und verdeckte Testlieferungen sollen abschreckend illegales Gebaren verhindern.

Diese Maßnahmen waren notwendig geworden, weil 28 Mitarbeiter von neun Wertstoffhöfen korrupt gewesen sein sollen. Zwei Gebrauchtwarenhändler sollen sie bestochen haben, damit sie ihnen unter der Hand Sammelgut zukommen lassen. Wegen 576 Fällen der gewerbsmäßigen Bestechung müssen sich die Händler Mehmet B. und Salih Z. seit diesem Donnerstag vor dem Münchner Amtsgericht verantworten.

Als eine "Mischung aus Dummheit und Geldgier" bezeichnete Kommunalreferent und AWM-Chef Axel Markwardt das Verhalten der städtischen Mitarbeiter. Sie sollen laut Anklage der Staatsanwaltschaft München I von Dezember 2012 bis März 2014 von den Gebrauchtwarenhändlern Geld kassiert haben - was ihnen schon laut Dienstanweisung streng untersagt ist.

Korruptionsskandal
:Aufräumen auf den Wertstoffhöfen

Vier von zwölf Münchner Wertstoffhöfen bleiben am Osterwochenende zu. Das Gebrauchtwarenhaus "Halle 2" ist bis auf Weiteres geschlossen. Nach einem Hehlerei-Skandal herrscht Personalmangel. Kommunalreferent Markwardt erwägt nun, den Betrieb in fremde Hände zu legen.

Der 25-jährige Mehmet B. baute den Angaben zufolge ein Netz von Wertstoffhof-Mitarbeitern auf, die ihm gut erhaltene Elektrogeräte, aber auch Möbel und anderen Hausrat zur Seite legten. Die Waren waren für den städtischen Second-Hand-Verkauf in der "Halle 2" in Giesing gedacht, der für finanziell schwächer Gestellte eingerichtet wurde und im Jahr 2013 immerhin einen Erlös von rund 435 000 Euro erwirtschaftete. Etliche wiederverwertbare Gegenstände verschwanden aber stattdessen auf illegalem Wege von den Wertstoffhöfen.

Mindestens einmal pro Woche soll B. die Sammelstellen abgefahren und die Gebrauchtwaren eingesammelt haben. Zuvor hatte er entweder einen Anruf von seinen Kontaktleuten auf den Wertstoffhöfen erhalten oder sich selbst erkundigt, ob Lohnenswertes zu holen war. Das Sammelgut soll dann sein 48-jähriger Geschäftspartner Salih Z. von seinem Lager in Freimann aus an vorwiegend ausländische Händler veräußert haben.

Das Geschäft lief angeblich so gut, dass die beiden Männer zuletzt monatlich 4400 Euro Gewinn machten. Bei einer Begutachtung ihres Lagers im April 2014 wurden mehr als 370 Gegenstände gefunden, die nachweislich von den Münchner Wertstoffhöfen stammten: 40 Fotoapparate, 50 DVD-Player, 49 Receiver, 20 PC-Türme, 15 Lautsprecher, 13 Nähmaschinen und ebenso viele Paar Ski, sieben Waschmaschinen, vier Kühlschränke und zwei Fernseher forderte die Stadt neben allerlei anderem Gerät zurück.

Stärkere Überwachung und personelle Umorganisation

Die korrupten Wertstoffhof-Mitarbeiter erhielten laut Anklage je Lieferung durchschnittlich 250 Euro von den Gebrauchtwarenhändlern. Das Geld wurde dann angeblich unter den gerade auf den Wertstoffhöfen Dienst habenden Arbeitern aufgeteilt. Gegen sie laufen noch gesondert strafrechtliche Ermittlungen. 18 Beschuldigte hatte die Stadt sofort vom Dienst freigestellt. Einige haben Auflösungsverträge unterschrieben, andere beteuern ihre Unschuld.

Der Korruptionsskandal hatte Konsequenzen: Der Stadtrat beschloss eine stärkere Überwachung und personelle Umorganisation auf den Wertstoffhöfen. Zunächst war auch deren Privatisierung im Gespräch. Die Stadt entschied sich letztlich aber dafür, den Betrieb der Wertstoffhöfe und auch des städtischen Gebrauchtwarenkaufhauses doch beim AWM zu belassen. Das Kaufhaus "Halle 2" in der Sachsenstraße in Giesing wurde kürzlich geschlossen, öffnet aber am 7. Oktober mit erweiterten Öffnungszeiten und regelmäßigen Versteigerungen in der Peter-Anders-Straße 15 in Pasing wieder.

Der Prozess wird kommende Woche fortgesetzt.

© SZ vom 16.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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