Prozess wegen versuchten Mordes:Die Schere im Herzen

Liebesdrama und häusliche Gewalt: Eine 44-Jährige steht wegen versuchten Mordes vor Gericht. Mit einer Schere stach sie ihrem Mann ins Herz. Unter Tränen beteuert sie jedoch, sie habe sich nur wehren wollen.

Von Christian Rost

Xuyen D. ist völlig aufgelöst über das, was Staatsanwalt Markus Koppenleitner vorliest. Der Ankläger braucht keine zwei Minuten am Donnerstag vor dem Münchner Schwurgericht, um der 44-jährigen Vietnamesin versuchten Mord vorzuhalten. Knapp eineinhalb Seiten umfasst der Anklagesatz, in dem die mutmaßliche Eifersuchtsattacke von Xuyen D. auf ihren Mann beschrieben ist.

Die Angeklagte hört schließlich gar nicht mehr hin: In Tränen aufgelöst und tief schluchzend hat sie ihr Gesicht in den Händen vergraben. Das Gericht unter dem Vorsitz von Michael Höhne gibt ihr anschließend einige Minuten Zeit, sich wieder zu fassen, dennoch kommt der Prozess nicht weit voran an diesem Tag.

Es geht um die Bluttat vom 3. September vorigen Jahres im Hasenbergl. Koppenleitner geht davon aus, dass Xuyen D. den Vater ihrer beiden Kinder heimtückisch mit einer Schere töten wollte. Sie soll gegen Mitternacht ihren 48-jährigen Mann auf dem Handy angerufen und ihm mitgeteilt haben, dass sie dessen Geliebte zur Rede stellen werde.

Erhebliche Spannungen wegen einer Geliebten

Während sich die Angeklagte zu Fuß auf den Weg zur Wohnung der 38-jährigen Nebenbuhlerin machte, ging ihr Mann mit seiner Freundin der Ehefrau entgegen. In den Wochen zuvor hatte es bei dem Ehepaar schon erhebliche Spannungen wegen der Liebschaft gegeben, weshalb der Mann auch vorübergehend ausgezogen war. Erst kurz vor der Tat war er wieder zu Hause eingezogen.

Laut Anklage trafen sie schließlich am Stanigplatz aufeinander. Es war bereits 1.30 Uhr, als D. auf ihren Mann zuging, ihn anschrie und plötzlich eine Schere mit elf Zentimeter langen Klingen aus ihrer Hosentasche zog. Einmal soll sie mit der Schere wuchtig auf ihren Mann eingestochen haben, wobei sie auf die Herzgegend gezielt habe, so der Staatsanwalt. Der Getroffene, der nicht mit einem Angriff gerechnet habe, sei zusammengesackt. Seine Frau habe sich nicht um ihn gekümmert. Der Stich hatte seinen Herzbeutel und die Herzkammer durchstoßen. Es bestand Lebensgefahr. In einer mehrstündigen Notoperation wurde der 48-Jährige gerettet.

Die Angeklagte bedauert die Tat sehr

Die völlig aufgewühlte Angeklagte war auch nach der vom Gericht verordneten Ruhepause nicht in der Lage, die Attacke und das Motiv aus ihrer Sicht zu schildern. Xuyen D. überließ es ihrem Verteidiger Timo Westermann, den Vorwurf der Mordabsicht zu entkräften. Der Anwalt sagte, seine Mandantin bedaure die Tat sehr und würde sie gerne ungeschehen machen. Sie sei erleichtert, dass es ihrem Mann inzwischen wieder gut gehe und würde sich gerne bei ihm entschuldigen.

In der Tatnacht habe er sie vor ihrer Attacke geschlagen. Sie habe sich nur wehren wollen, "aus Angst und Furcht" - es sei schon früher zu Gewaltausbrüchen seitens ihres Mannes gekommen. Den Stich mit der Schere habe sie nicht gezielt ausgeführt, sie habe "unüberlegt im Affekt" zugestochen, fasste Westermann die Darstellung der Angeklagten zusammen. Hilfe habe sie wegen ihrer Sprachschwierigkeiten nicht holen können. Sie habe aber telefonisch ihren Sohn darüber informiert, was passiert sei.

Ob der Ehemann aussagt, ist offen

Das Schwurgericht hat noch vier Verhandlungstage vorgesehen, um der Wahrheit auf den Grund zu gehen. Ob der Ehemann wie geplant als Zeuge aussagen wird, ist offen. Sein Nebenklageanwalt deutete an, dass das Opfer möglicherweise von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen werde. Seine Geliebte wird indessen aussagen müssen.

Über die Lebensgeschichte der Angeklagten erfuhr das Gericht am ersten Prozesstag nichts. Xuyen D. konnte sich dazu auch nicht äußern, nachdem sie sich beruhigt hatte. Sie kam mit ihrem Dolmetscher nicht zurecht. Er rede unverständlich, sagte die Angeklagte, der nun eine Übersetzerin zur Seite gestellt wird, die ihr schon im Polizeiverhör geholfen hatte. Der Prozess wird fortgesetzt.

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