Prozess um Samenspende:Suche nach dem Vater endet im Reißwolf

Wer ist mein Vater? Diese Frage quält eine 25-Jährige so sehr, dass sie einen Münchner Gynäkologen verklagt. Er soll Name und Adresse des Spenders herausgeben. Vor Gericht bekommt sie zwar Recht - trotzdem endet die Suche ohne Ergebnis.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Wer ist mein Vater? Diese Frage quält seit geraumer Zeit eine heute 25 Jahre alte Frau. Sie weiß nur, dass ein unbekannter Mann den Samen gespendet hat, der zu ihrer Geburt im Oktober 1989 geführt hat. Deshalb klagte die Frau gegen den Münchner Gynäkologen, der die künstliche Befruchtung vorgenommen hatte: Sie will Namen und Adresse ihres Erzeugers.

Doch der Mediziner beteuerte seither, beim besten Willen keine Auskunft geben zu können, weil die Patientinnenakte längst im Reißwolf gelandet sei. Am Montag suchte die Arzthaftungskammer am Landgericht München I nun hinter verschlossenen Türen am runden Tisch nach einer Lösung für den festgefahrenen Prozess.

Der Frauenarzt hatte bis 1993 zwei Dateien geführt. Nämlich einmal die Akten der Patientinnen, die aber niemals die Information enthalten hätten, von welchem Spender der Samen stammte, sagt sein Rechtsanwalt Wolfgang Putz. Dazu eine zweite Datei, in der es unter anderem um Augen- und Haarfarbe sowie Statur des Spenders ging, weil stets eine möglichst enge Ähnlichkeit zum sozialen Vater gewünscht war - denn die "Fremdabstammung" sollte ja nicht auffallen.

Arzt sah keine Dokumentationspflicht

Erst nach 1993 hatte der Arzt aufgrund der sich ändernden Rechtslage jeden Samenspender so vermerkt, dass er auf berechtigte Anfragen Auskunft geben konnte. Zum Zeitpunkt der künstlichen Befruchtung 1989 habe aber noch keine rechtliche Pflicht bestanden, die Zuordnung des Spenders zur Empfängerin zu dokumentieren, stellte der Anwalt in dem Verfahren fest.

Die entsprechenden Papiere seien deshalb, wie es allgemein übliche Praxis bei alten betrieblichen Unterlagen sei, nach rund zehn Jahren geschreddert worden. In jedem Jahr habe der Doktor stets alle nicht mehr aufbewahrungspflichtigen Dokumentationen höchstpersönlich in seinen Wagen gepackt und zu einer Aktenvernichtung gefahren.

Die von dem Stuttgarter Rechtsanwalt Philipp von Berg vertretene Klägerin gab sich bis zum Montag mit solchen Auskünften nicht zufrieden. Sie verlangte unter anderem, dass der Arzt seine früheren Angestellten ausfindig machen solle. Vielleicht könnten die zur Aufklärung der biologischen Vaterschaft beitragen.

Kaum Erinnerungen an den Samenspender

Aber selbst Versuche, die ehemaligen Mitarbeiterinnen etwa über die Rentenversicherung oder Krankenkassen ausfindig zu machen, seien ergebnislos geblieben, versicherte Anwalt Putz in dem Verfahren. Außerdem sei zweifelhaft, ob die Frauen sich nach gut 25 Jahren erinnern könnten, wer in diesem speziellen Fall der Samenspender war.

Anlass zu solch akribischen Recherchen hatte ein Musterurteil des Oberlandesgerichts Hamm von 2013 gegeben: Das nordrhein-westfälische Gericht hatte entschieden, dass eine mittels Samenspende gezeugt junge Frau auf jeden Fall Anspruch gegen den Arzt auf Herausgabe des Spender-Namens habe. Auch hier hatte der Mediziner versichert, dass ihm die Daten nicht mehr vorlägen - das hatte ihm das Gericht aber nicht geglaubt. Der Mediziner müsse, sagten die Richter in Hamm, auch frühere Mitarbeiter befragen und eine umfassende Recherche nach den Unterlagen veranlassen.

Da der Münchner Arzt nun am runden Tisch im direkten Gespräch mit der Klägerin glaubhaft machen konnte, nichts unversucht gelassen zu haben, gab die junge Frau schließlich nach. Sie akzeptierte die eindringliche Versicherung des Doktors, dass er zu tiefst bedaure, keine Auskunft geben zu können - symbolisch zahlt er ihr dafür 1500 Euro. Der Prozess ist damit beendet.

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