Prozess um pädophilen Kinderpfleger:"Der Horror für alle Eltern"

Er hat eine Ausbildung zum Kinderpfleger gemacht und auch privat als Babysitter gearbeitet - dabei kam es zu 24 Übergriffen auf Jungen und Mädchen. Auf Bewährung kann der Angeklagte trotz seiner Reifeverzögerungen und seines Geständnisses nicht hoffen.

Von Christian Rost

Ein angehender Kinderpfleger hat sich in Dachau Familien als Babysitter angeboten und deren Kinder missbraucht. Fünf Familien sind davon betroffen. Der 21-jährige Michael K. (Name geändert) hatte 2012 an seinem Arbeitsplatz, einem Dachauer Kindergarten, auf Plakaten seine Betreuungsdienste angeboten. In der Folge kam es zu 24 Übergriffen auf Buben und Mädchen. Am Dienstag musste sich K. in München vor dem Jugendschöffengericht für seine Taten verantworten. Auf Bewährung konnte er trotz seiner Reifeverzögerungen und seines Geständnisses nicht mehr hoffen.

Der Angeklagte hatte bereits in seiner frühen Jugend nach jungen Opfern gesucht. So freundete er sich im Alter von 13 Jahren mit einem Neunjährigen an, weil er sich gleichaltrigen unterlegen fühlte. Im Laufe der Bekanntschaft zu dem Buben entwickelte sich ein Vertrauensverhältnis, das K. brutal ausnutzte. Mehrfach verging er sich an dem Kind und hielt die Taten auf Video fest. Der Kopf des Angeklagten sei damals voll von pornografischen Bildern aus dem Internet gewesen, stellte Psychiater Karl-Heinz Crumbach bei der Exploration K.s fest.

Der Dachauer hatte schon im Alter von zehn Jahren seinen älteren Bruder beim Pornokonsum am PC beobachtet und in der Folge selbst intensiv nach dem Material gesucht. Seinen Eltern fiel zwar auf, dass sich K. stundenlang am Computer beschäftigte. "Die dachten aber, ich spiele irgendwas", sagte K. Schon damals war er auf Videos und Bilder mit pädophilem Inhalt aus. Wie K. einräumte, lud er sich hauptsächlich manipulierte Kinder-Zeichentrickfilme herunter, in denen die Figuren sexuelle Handlungen vornahmen. Bis zu seiner Festnahme am 18. Januar sah sich K. regelmäßig Pornos an, um sich "abzureagieren", wie er sagte.

"Bilder" entstanden im Kindergarten

Nach der Schule hatte er zunächst eine Ausbildung zum Bürokaufmann begonnen, die Lehre aber schon nach einem Jahr abgebrochen. Er wechselte auf eine Kinderpflegeschule und begann seine praktische Ausbildung 2011 in der Dachauer Kita. Dort bot er sich Eltern an, auf ihre Kinder auch privat aufzupassen. Im Kindergarten kam es angeblich zu keinen Übergriffen, er habe aber "schon Bilder" in seiner Phantasie entwickelt, gab K. zu.

Fünf Familien, die teils mehrere Kinder haben, nahmen seine Dienste in Anspruch. Der Angeklagte versuchte sich herauszureden, er habe die Kinder aus "biologischer Neugier" nackt in verschiedenen Posen fotografiert. Als ihm Psychiater Crumbach vorhielt, mit diesem Vorwand wolle er nur seine Triebhaftigkeit kaschieren, sackte K. zusammen und räumte seine sexuelle Motivation ein. Was K. gemacht habe, sei "der Horror" für alle Eltern, so die Vorsitzende Richterin Christiane Karrasch.

Michael K. war auf besonders perfide Weise vorgegangen. Die Kinder kannten ihn aus der Kita als Vertrauensperson. So fanden sie es auch spaßig, wenn er einen Malkasten zum Babysitten mitbrachte und ihnen Nasenbären oder Elefanten auf den Körper pinselte, wobei er die Geschlechtsteile bewusst mit einbezog. Heimlich fotografierte er die Kinder dann mit seinem Handy. Neben diesen Bildern stellte die Polizei bei der Durchsuchung von K.s Wohnung 95 Pädophilen-Pornos sicher.

Horror für alle Eltern

Seit sechs Monaten sitzt K. in Untersuchungshaft in der JVA Stadelheim. Bisher hatte er sich in seinen Vernehmungen vor allem selbst bedauert, von seinen Eltern habe er zu wenig Zuwendung bekommen und einen ständigen Leistungsdruck gespürt, klagte er. Erst vor Gericht fand er erstmals bedauernde Worte für seine Opfer, wie die Vorsitzende Karrasch bemerkte. Diese Einsicht und sein umfassendes Geständnis hielt ihm das Gericht letztlich zugute.

Angesichts der Schwere der Taten und einer dringend notwendigen "langen, harten und engmaschigen Therapie", die Psychiater Crumbach empfahl, verlangte die Staatsanwaltschaft aber eine dreijährige Jugendstrafe für Michael K. Zwar sei seine Pädophilie laut dem psychiatrischen Gutachten noch nicht fixiert und deshalb auch therapierbar. Dies müsse aber in einer geschlossenen Einrichtung geschehen. Verteidiger Matthias Trepesch indessen hielt eine eineinhalbjährige Bewährungsstrafe mit ambulanter Therapie für ausreichend. K.s Familie werde ihm den nötigen Halt geben, argumentierte der Anwalt.

Das Gericht verhängte eine Jugendstrafe von zwei Jahren und acht Monaten. "Wir wollen nicht, dass sie jetzt rausgehen und sich wieder an Kindern vergehen", so Karrasch in ihrem Urteil.

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