Prozess um Missbrauch:Gutachter soll Drogen für Sex verschrieben haben

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Ein Münchner Gerichtspsychiater muss wegen einer Affäre mit einer suchtkranken Staatsanwältin vor Gericht. Er soll der Frau für sexuelle Dienste als Domina Betäubungsmittel verschrieben haben. Der Prozess beginnt in wenigen Tagen - trotzdem arbeitet der Gutachter noch immer für die Justiz.

Von Christian Rost und Andreas Salch

Ein Münchner Psychiater, der sich von Dienstag an wegen sexuellen Missbrauchs einer Staatsanwältin am Landgericht München II verantworten muss, wird von der Justiz nach wie vor als Gutachter eingesetzt. Erst an diesem Freitag erhielt Thomas Sch. am Münchner Amtsgericht erneut einen Auftrag: Er soll einen wegen gefährlicher Körperverletzung Angeklagten auf dessen Gefährlichkeit hin beurteilen. Dass Sch. selbst möglicherweise schwere Straftaten begangen hat, ficht den zuständigen Amtsrichter nicht an: Es sei kein anderer Gutachter greifbar gewesen, außerdem gelte für den Psychiater die Unschuldsvermutung, so Richter Rolf-Dieter Madlindl.

Dem Psychiater wirft die Staatsanwaltschaft vor, eine suchtkranke Staatsanwältin mit Medikamenten versorgt und sie missbraucht zu haben. Er streitet die Vorwürfe ab und sieht auch keinen Grund, nicht mehr für die Justiz zu arbeiten. "Ich habe nach wie vor überall meine Gutachteraufträge", sagte Sch. am Freitag am Rande des Amtsgerichts-Prozesses.

Sch. ist bereits seit Jahren an Gerichten als freier Sachverständiger tätig, zuvor hatte er als Medizinaloberrat in den Justizvollzugsanstalten Straubing und Stadelheim gearbeitet. Nach empörenden Aussagen über die Gefängnispsychiatrie und wegen nicht genehmigter Gutachtertätigkeiten schied er aus dem Staatsdienst aus.

Auf der rote Liste der Staatsanwaltschaft

Die Staatsanwaltschaften München I und II vergeben seit den Missbrauchsvorwürfen keine Aufträge mehr an Sch. und haben seinen Namen auf eine rote Liste gesetzt. Das Amtsgericht hingegen beschäftigt ihn weiter: "Bei uns gibt es keine Liste von Leuten, bei denen man aufpassen sollte", sagt Richter Madlindl, der aber von den Vorwürfen gegen Sch. gewusst und auch mit ihm darüber gesprochen hat. "Er sagte mir, da sei nichts dran", erklärte Madlindl.

Der SZ hatte Thomas Sch. im Juli gesagt, die Anklage gegen ihn sei ein "Witz" und "Unsinn". Nun sitzt der 59-Jährige vom kommenden Dienstag an auf der Anklagebank der 1. Strafkammer am Landgericht München II.

Was dem Gutachter vorgeworfen wird

Er soll einer medikamentenabhängigen Staatsanwältin Psychopharmaka verschafft haben, obwohl er von deren angeblicher Abhängigkeit von Tranquilizern gewusst habe. Im Gegenzug soll sich die Juristin auf Sex mit ihm eingelassen haben. Im Juli 2010 soll es in der Münchner Wohnung der Staatsanwältin zum Geschlechtsverkehr gekommen sein. Der Psychiater soll zu dem Treffen auch Utensilien für sadomasochistische Sexspiele mitgebracht haben - angeblich ließ er sich von der Staatsanwältin versohlen. Im Verlauf des Sommers 2010 kam es dem Vernehmen nach zu weiteren Treffen, unter anderem in seinen Ferienhäusern in Italien und Griechenland.

Die Staatsanwaltschaft legt Sch. sexuellen Missbrauch unter Ausnutzung eines Beratungs- oder Behandlungsverhältnisses zur Last. Die 43-jährige Juristin hatte im Frühjahr 2010 psychische Probleme. In mehreren Kliniken soll die Frau, die auch als Richterin tätig war, wegen ihrer Medikamentenabhängigkeit behandelt worden sein - ohne Erfolg. Danach habe sie sich weiterhin in einem psychisch labilen Zustand befunden und Psychopharmaka eingenommen. Wegen ihrer Sucht bekam sie allerdings keine Rezepte mehr.

Zusammenbruch nach Überdosis

Im Frühsommer 2010 soll die Staatsanwältin dann mit Thomas Sch., den sie vom Gericht her kannte, in dessen Praxis einen Termin vereinbart und ihn um Hilfe gebeten haben. Laut Anklage wusste er von ihren Problemen. Um an Medikamente zu gelangen, habe die Frau Thomas Sch. schließlich angeboten, mit ihm zu schlafen. Der Gutachter soll ihr Blanko-Rezepte überlassen und dabei geäußert haben, dass er sich die 43-Jährige gut als seine "Herrin" vorstellen könne.

Im Dezember 2010 erlitt die Staatsanwältin aufgrund des übermäßigen Konsums von Tranquilizern einen Zusammenbruch und wurde in eine Klinik gebracht. Auch gegen sie wurde ermittelt. Letztlich akzeptierte sie einen Strafbefehl und schied aus dem aktiven Justizdienst aus. Der Prozess gegen Thomas Sch. ist auf zwei Verhandlungstage angesetzt.

© SZ vom 08.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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