Prozess um Dealer:Kokain à la carte

Lesezeit: 2 min

Juristische Aufarbeitung einer italienischen Angelegenheit: Ein Gastwirt soll kiloweise Kokain verkauft haben - in seinem Restaurant in München. Nun steht er vor Gericht.

Stephan Handel

Als im März des vergangenen Jahres bei Razzien in italienischen Restaurants in München und der Region mehr als 30 Personen festgenommen wurden, da werteten das die Ermittlungsbehörden nicht nur als Erfolg gegen die Kokain-Szene - sondern vor allem als Schlag gegen die italienische Mafia-Organisation 'Ndrangheta: Nun sei es gelungen, Strukturen und Handelswege der kalabresischen Vereinigung zu zerstören.

Seit einiger Zeit läuft die juristische Aufarbeitung der italienischen Angelegenheit. Vier Angeklagte wurden abgeurteilt, zweimal gab es Bewährungsstrafen, einmal 29 Monate und einmal fünf Jahre und drei Monate Haft - hierbei ging es um 1,2 Kilogramm Kokain, die der Angeklagte weiterverkauft hat.

In diese Größenordnung fällt wohl auch Gerardo A., dessen Prozess am gestrigen Mittwoch begann: Er soll laut Staatsanwaltschaft ebenfalls mit Kokain im Kilo-Bereich gedealt haben.

Gerardo A. ist in München kein Unbekannter, seit 1982 führt er italienische Lokale in der Stadt, zuletzt, seit 2007, eines in der Nordendstraße. Dort soll er die Deals abgewickelt haben. Die Anklageschrift beginnt mit Vorwürfen, das Jahr 2009 betreffend. Schon seit zehn Jahren jedoch, so sagt Gerardo A. aus, habe er selbst Kokain konsumiert, zunächst nur am Wochenende, dann immer mehr, bis er schließlich bei zwei bis drei Gramm am Tag angelangt war, was ihm ein Loch in der Nasenscheidewand einbrachte. Ein ärztlicher Gutachter, der nach der Festnahme einen Haartest durchführte, bestätigt den Konsum von großen Mengen Kokain über lange Zeit.

55 Jahre alt ist Gerardo A. vor vier Wochen geworden, er ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Geboren wurde er in Frankreich, wuchs dann aber als viertes von acht Geschwistern in Italien auf. 1974 kam er nach Deutschland, arbeitete, obwohl gelernter Dreher, in einem Restaurant zunächst als Tellerwäscher und arbeitete sich dort hoch bis zum Chefkoch.

"In Geld oder in Koks?"

YouTube-Werbefilmchen zeigen Gerardo A. in seinem Lokal, eine Kochmütze auf dem Kopf, inmitten fröhlicher Gäste und wirklich sehr appetitlich aussehender Gerichte. In Wirklichkeit schien er aber großen Geldbedarf zu haben - als ihm die Banken keine Kredite mehr geben wollten, lieh er sich Geld von seiner Schwester und sogar von seiner Rechtsanwältin, die nun, im Gerichtssaal, neben zwei weiteren Verteidigern neben ihm sitzt.

Ob er den Kredit denn zurückbezahlt habe, will Anton Winkler, der Vorsitzende Richter wissen, was die Anwältin freudig bejaht. "In Geld oder in Koks?", fragt Winkler, aber das ist nur als Scherz gemeint.

Es geht im Grunde darum, ob Gerardo A. bereit ist, die Kokain-Verkäufe einzuräumen - dann würde das Verfahren erheblich abgekürzt, was ihm sicher einen Rabatt bei der Strafzumessung bescheren würde. Im anderen Fall müsste das Gericht in schier endloser Verlesung von Telefon-Überwachungsprotokollen herauszufinden versuchen, ob er die Taten tatsächlich begangen hat. Trotz mehrfacher Gespräche zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung sowie von Letzterer mit dem Angeklagten konnte dieser sich am ersten Verhandlungstag dazu nicht durchringen. Der Prozess wird deshalb am heutigen Donnerstag fortgesetzt.

© SZ vom 17.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: