Prozess um Bühnentechnik:Absurdes Theater hinter den Kulissen

400.000 Euro kostet die Wartung im Jahr, obwohl sie komplett veraltet ist: Die Bühnentechnik im Residenztheater sollte zum Intendantenwechsel erneuert werden. Doch jetzt gibt es ein juristisches Drama um den Umbau.

Stefan Mühleisen

Zum Einstand gab es viel Wohlwollen: Der stürmische Schlussapplaus bei der Premiere von "Das weite Land" am Donnerstagabend vergangener Woche war wohl auch ein Willkommensgruß des Publikums an den neuen Intendanten des Residenztheaters, Martin Kušej. Doch er selbst dürfte während seines Regie-Debüts als Resi-Chef manchmal sorgenvoll nach oben geblickt haben, hoch zur Bühnenmaschinerie.

Premiere 'Das weite Land'

Das Residenztheater ist für seine großräumige Bühne berühmt - doch nun gibt es ein juristisches Drama um die Technik.

(Foto: dpa)

Martin Kušej muss jetzt - gegen seinen Willen - erst einmal weiter mit einer mehr als 20 Jahre alten Technik arbeiten. Das Vergabeverfahren für die Erneuerung der Anlage wird derzeit vor Gericht verhandelt, mit ungewissem Ausgang. Sicher ist nur, dass die Verantwortlichen im staatlichen Bauamt ziemlich verärgert sind - und die Wartung der bestehenden Anlage teuer kommt. "Es nähert sich dem absurden Theater", sagte die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht (OLG), Maria Vavra, in der Verhandlung am Tag nach der umjubelten Premiere.

Dabei hatte alles so gut angefangen. Kurt Bachmann, Leiter des staatlichen Bauamtes, empfing im Herbst 2010 den designierten Intendanten und seinen technischen Direktor. Kušej stellte den Behördenleuten, die das nötige Geld locker machen mussten, sein Konzept vor. Es sollte eine moderne, elektronisch gesteuerte Anlage her. Die bestehende Maschinerie ist ein wartungsintensives Hydrauliksystem für Dutzende von Winden und Seilen, mit denen Kulissen hoch- und runtergefahren werden. Nach Angaben eines leitenden Resi-Mitarbeiters schoss in den vergangenen Jahren öfter Öl aus maroden Dichtungen; Ventile müssen geschliffen, Zylinder gedreht werden. "Es gibt kaum Ersatzteile." 400.000 Euro kostet die Wartung im Jahr, sagte Beleuchtungsleiter Tobias Löffler vor Gericht.

"Kušejs Lösung klang gut und sehr überzeugend", sagt Bachmann. Aber sie war teurer als gedacht. Im Willen, dem neuen Intendanten in ein bestelltes Haus einziehen zu lassen, gaben sich die Beamten generös: Wie Bauamtsmitarbeiter bestätigen, stieß die Behörde im Herbst 2010 das Vergabeverfahren an, obwohl der Doppelhaushalt erst im Frühjahr 2011 zur Genehmigung ansteht. Schließlich sollte der Umbau in den Theaterferien vor Kušejs Antritt im Residenztheater über die Bühne gehen. Die Zeit drängte - und das dürfte für die nun anrollende Misere wohl der Hauptgrund sein.

Am Ministerium lag es nicht, das Geld steht zur Verfügung. Doch während Dieter Dorn noch die Zügel im Staatsschauspiel in der Hand hielt, lief hinter den Kulissen ein erbitterter Streit ab. Ausgangspunkt ist das so genannte Leistungsverzeichnis der Anlage. Bauamts- und Theater-Mitarbeiter haben es erarbeitet. Hier ist aufgelistet, welche Funktionen die Anlage erfüllen muss.

Es kam zu einem Test, bei dem die Bewerberfirmen - es sind mindestens zwei, Rofitec in der Oberpfalz und Trekwerk in den Niederlanden - ihre Lösungen dem Bauamt und den Theatertechnikern vorführten. "Über jede Aufgabe, jeden Schritt und jeden Ablauf wurde gestritten", berichtet ein Bauamts-Mitarbeiter vor Gericht. Die Resi-Techniker nahmen vor allem die Rofitec-Lösung auseinander, wie in der Verhandlung deutlich wurde.

Vier Stunden lang beschäftigte sich das Gericht mit strittigen Details. Wortreich erklärte der Technische Direktor des Residenztheaters, Thomas Bautenbacher, welche Finessen Rofitec nicht bieten könne. Eher knapp hielten die Zeugen vom Bauamt ihre Einschätzung, weshalb die Tests bestanden worden seien. Ausführlich ging es etwa darum, wie die "Schneewippe" - ein schwenkbares Segel für künstlichen Schneefall auf der Bühne - bedient werden soll.

Der Streit hatte sich von der Bühne in den Gerichtssaal verlagert, weil Rofitec das Urteil über ihre angeblich suboptimale Lösung nicht hinnehmen wollte. Das Bauamt hatte das Verfahren gestoppt. Ein hochrangiger Behördenmitarbeiter schiebt den schwarzen Peter dem Theater zu: "Für uns gibt es keinen Grund, Rofitec abzulehnen. Doch wir wollten dem Residenztheater auch keine Anlage aufzwingen, die es nicht haben will." Rofitec klagte daraufhin gegen den Verfahrensabbruch - und bekam Recht.

Wie das Stück endet, ist unklar. Möglich, dass die Spielzeit im Gericht verlängert wird, wenn das OLG noch Expertisen fordert. Doch es könnte auch sein, dass neu ausgeschrieben werden muss. Intendant Kušej wird dem Drama wohl noch länger zusehen müssen. Denn mit dem Intendantenwechsel im Sommer bestand die Chance auf eine lange Umbauphase ohne Störung des Betriebs. "Ob in der nächsten Spielzeit eine so lange Pause möglich wird, ist fraglich", formulierte Bauamtsleiter Bachmann vor Gericht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: