Prozess um Behandlungsfehler:Kurz vor der Amputation

Eine Frau verliert wegen der Fehldiagnose ihres Orthopäden fast einen Fuß. Nur eine Notoperation verhindert Schlimmeres. Nun hat die Frau ihren Arzt auf Schmerzensgeld verklagt.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Die falsche Diagnose eines Arztes aus dem Münchner Umland hätte einer Münchner Friseurmeisterin fast den rechten Fuß gekostet. Ihren Beruf kann sie seit der Fehlbehandlung nicht mehr ausüben. Der beklagte Orthopäde hat sich nun vor Gericht bereit erklärt, der Frau einen langen Prozess durch die Instanzen zu ersparen und freiwillig 35 000 Euro Schmerzensgeld und Schadensersatz zu bezahlen.

In einer Februarnacht 2010 hatte die heute 40-Jährige starke Schmerzen im rechten Bein bekommen: der Fuß war plötzlich bleich, taub und kalt. Ihr Hausarzt überwies sie an den Orthopäden. Diesen Facharzt fragte die Frau, ob das von einem Bandscheibenvorfall herrühren könne. "Ja, natürlich", habe der Doktor geantwortet und erklärt, dass man alles in den Griff bekommen werde. Er hatte ein Wurzelreizsyndrom im Bereich der Lendenwirbelsäule diagnostiziert.

"Die Patientin ist für den Rest ihres Lebens gezeichnet"

Rechtsanwalt Jürgen Klass sagte dazu später vor Gericht, dass sich der Arzt offensichtlich keine große Mühe gegeben und die Situation völlig falsch eingeschätzt habe. Dass ein Notfall vorliege, nämlich ein Gefäßverschluss, der sofort hätte behandelt werden müssen, sei dem Mediziner entgangen. "Es kam dann fast zur Katastrophe", sagt Klass. "Eine viel zu späte Not-OP, der Fuß musste beinahe amputiert werden, die Patientin ist für den Rest ihres Lebens gezeichnet."

Der Orthopäde hatte seine Patientin mehrmals mit Injektionen im Lendenwirbelbereich behandelt. Als sie aber nach acht Tagen vor Schmerzen nicht mehr schlafen konnte und der Fuß unverändert eiskalt und taub war, verordnete der Doktor lediglich Krücken. Am nächsten Tag ging die Frau in Eigeninitiative zu einem Neurologen, der den "arteriellen Verschluss im Bereich des rechten Beins" feststellte. Umgehend wurde die Frau operiert. Es hatte sich bereits absterbendes Gewebe an Zehenkuppen und Fußrücken gebildet. Den Beruf als Friseurin musste die Frau aufgeben - sie ist seither als dauerhaft arbeitsunfähig anerkannt.

Um gegen den Orthopäden gerichtlich vorgehen zu können, musste die Frau erst noch Prozesskostenhilfe beantragen. Nach langem Hin und Her einigte man sich dann aber vor dem Landgericht München II auf die Entschädigung von 35 000 Euro.

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