Prozess:Tötung mit Kreissäge: "Herr H. war zwei Menschen"

Lesezeit: 3 min

  • Eine Pädagogik-Studentin steht wegen Mordes vor Gericht, weil sie ihren Freund beim Sexspiel mit einer Handkreissäge umgebracht haben soll.
  • Die Angeklagte berichtet im Prozess über ihr Leben und die Beziehung. Als es um die Details der Tat geht, wird die Öffentlichkeit ausgeschlossen.
  • Insgesamt sind sieben Verhandlungstage angesetzt. An diesem Dienstag soll der jetzige Verlobte der Frau aussagen.

Aus dem Gericht von Susi Wimmer, München

Die Nebentür zum Gerichtssaal öffnet sich. Gabi P. wird vorgeführt. Sie hält ein Blatt vor ihr Gesicht, während die Kameras auf sie gerichtet sind. An ihren welligen braunen Haaren ist die Rottönung herausgewachsen, sie trägt einen braunen Ledermantel mit Innenfell. Sie erinnert an die Aussagen ihrer Nachbarn, die ihr Haus an der Haarer Zunftstraße als "Hippie-WG" tituliert hatten. Ein Zuschauer im Gerichtssaal flüstert: "So a Mörderin, wos versteckt sa se. De muaß doch a Bestie sei!"

Bestie? Monster? Und gleichzeitig auch Opfer? Wer ist diese Gabi P., heute 32 Jahre alt, die vor acht Jahren ihren Freund während des Geschlechtsverkehrs mit einer Handkreissäge getötet haben soll - laut Anklage, weil er sie immer wieder gedemütigt haben soll? Sex und Gewalt sind oft eng miteinander verknüpft, gepaart mit Überlegenheit und Erniedrigung, Klammern und Kränken.

Umstrittener Profiler
:True Detective

Kein Polizist kann so spannend vom Töten erzählen wie Axel Petermann, einer der umstrittensten Kriminalisten Deutschlands. Nun ist er im Ruhestand - doch als privater Profiler ermittelt er einfach weiter.

Von Laura Hertreiter

Wer diese Gabi P. ist, es lässt sich schwer sagen. Sie sitzt so, dass sie ihren Körper dem Richter zudreht, sie blickt kein einziges Mal ins Publikum. Ihr Gesicht bleibt hinter einem Haarschleier versteckt. Gabi P. spricht leise, so leise, dass die Gutachter zuweilen bitten müssen, dass sie ihre Aussage wiederholt. Dann dreht sie ihren Kopf ein wenig und man sieht Pausbacken und eine Brille. Ein Gesicht wie ein Mädchen.

Gabi P. will sich umfangreich vor Gericht einlassen, zu ihrem Intimleben und zu der Tat. Auf Antrag ihrer Anwältin Birgit Schwerdt schließt das Gericht dazu allerdings die Öffentlichkeit für den Nachmittag aus. Als P. am Vormittag von ihrem Leben berichtet, versteht man groteskerweise ihr Wispern kaum, weil in einem Garten nebenan gerade eine Motorsäge röhrt. Zunächst erzählt die Angeklagte aus ihrer Kindheit, von ihrer Mutter, der Grundschullehrerin, die nicht wollte, dass ihre Gabi auch Lehrerin werde, weil das so ein stressiges Leben sei.

Das Verhältnis zur Mutter sei wechselhaft gewesen, lieb und streng. Die Mutter war alkoholabhängig. "Das hab ich sehr stark ausgeblendet", sagt Gabi P. - so, wie sie offenbar auch die Bluttat ausgeblendet hatte; die Leiche wurde erst sieben Jahre später im Garten entdeckt. Mit ihrem Vater, der einen Fahrradladen führte, habe sie ein gutes Verhältnis gehabt, "dann hat es sich verlaufen". Warum, will der Vorsitzende Richter Michael Höhne wissen. "Es war, als der Herr H. in mein Leben kam", antwortet sie.

Sie nennt den Mann, mit dem sie etwa acht Jahre liiert war, den sie getötet haben soll, nicht beim Vornamen. Sie nennt ihn nur "Herr H.". Mit 15 oder 16 Jahren lernte sie ihn auf einer Feier kennen, er war vier Jahre älter. Er rief sie später an, warb um sie, "und ich fand es toll, dass er sich so angestrengt hat", sagt sie. 2003, als Gabi 18 wurde, zogen sie zusammen in das Haus in Haar, das P. zur Hälfte geerbt hatte. Sie lebten vom Erbe und vom Geld der Eltern.

Der Lebensweg der Gabi P. ist holprig. Hauptschule, dann Gymnasium: abgebrochen, Fachoberschule: verlassen, diverse Praktika, dann wieder Fachoberschule, dann Studium, wieder abgebrochen, Praktika, und schließlich Studium der Waldorf-Pädagogik. Vor ihrem Masterabschluss im vergangenen Jahr allerdings wird sie wegen des Verdachts des Mordes verhaftet. Die Beziehung zu "Herrn H." sei nur anfangs glücklich gewesen, mehr sagt sie vor Gericht nicht. Auf Nachfrage berichtet sie von ein bis zwei Flaschen Wein pro Tag, die sie in den Monaten oder Jahren vor der Tat konsumiert habe, um sich zu betäuben, und einem täglichen Marihuana-Konsum, der sich immer mehr gesteigert habe.

Lokalnachrichten für München
:News aus der Nachbarschaft

Wie schmeckt es im Restaurant ums Eck, wo nerven Baustellen oder welche Bar eröffnet bald im Lieblingsviertel? Hier können Sie Ihre Lokalnachrichten individuell zusammenstellen.

"Herr H.", sagt sie wörtlich, "war zwei Menschen". Einerseits ein wahnsinnig intelligenter, humorvoller und gut erzogener Mann. Andererseits habe er wohl eine Borderline-Störung gehabt, "und ich wollte ihm helfen", kommt es immer wieder aus ihrem Mund. Herr H. habe nur wegen seiner Eltern studiert. Dass sein Adoptivvater jahrelang monatlich 500 Euro überwiesen haben soll, und zwar auf das Konto von Gabi P.: "Da kann ich mich nicht erinnern", sagt sie wieder ganz leise.

Schwer nachvollziehbar wirken auch ihre Aussagen zu ihren drei Abtreibungen. 2007 sei sie von Herrn H. schwanger gewesen, mangels Perspektive habe sie abgetrieben. 2009 war sie erneut schwanger - der Vater sei unbekannt, gab sie vor Gericht an. Als sie 2011 von ihrem neuen Freund schwanger war, habe sie sich wieder für einen Abbruch entschieden. "Wir waren verzweifelt, weil wir Kinder wollten, aber keine Perspektive sahen", sagt sie. Mit diesem neuen Mann ist sie übrigens verlobt, "sobald es uns möglich ist, wollen wir heiraten".

Das Opfer wird in der Anklage mal als Alexander H. geführt, mal als Sebastian H. Seine Mutter hatte ihn im Säuglingsalter zur Adoption frei gegeben, hatte später sporadisch mit ihm Kontakt. Sie nannte ihn Sebastian. Seine neuen Eltern sagten Alexander zu ihm. Am Montagvormittag sitzt der Adoptivvater, ein Jurist, mit schwarzem Anzug und schwarzem Schal rechts vorne im Gerichtssaal als Nebenkläger, im linken hintersten Eck die leibliche Mutter. Bunte Haare, bunte Felljacke, und gerne im Licht der laufenden Kameras, wo sie ihrer Enttäuschung Luft macht, dass sie nicht als Nebenklägerin zugelassen wurde.

Vor der Tat im Dezember 2008 hatte sich Gabi P. von Alexander H. getrennt, war für vier Monate ausgezogen. Dann zog sie wieder ein. Am Tattag selbst soll sie ihn aus dem Haus geworfen haben, aber er kam zurück. Da soll sie laut Staatsanwaltschaft den Plan geschmiedet haben, ihn umzubringen. Am Dienstag wird das Gericht mit der Befragung von Zeugen fortfahren.

© SZ vom 14.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Mord in München
:Tagebuch eines Stalkingopfers

Roland B. stellte seiner Ex-Freundin sechs Jahre lang nach. Mehrmals zog sie deshalb um, erwirkte Kontaktverbote, notierte die Übergriffe - nun ist sie tot.

Von Martin Bernstein

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: