Prozess:Student erstreitet Entschädigung von Springer-Verlag

  • Ein junger Münchner wurde falsch verdächtigt, einen Clubbesucher verprügelt zu haben. Die Ermittlungen wurden jedoch eingestellt.
  • Weil die Bild den Eindruck erweckte, es stehe fest, dass der Medizinstudent der Täter sei, hat er nun den Springer-Verlag verklagt - und eine Entschädigung erstritten.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Ein junger Münchner erkennt sich selbst auf einem Foto in der Boulevardzeitung Bild und liest im dazugehörenden Text, dass dieser Mann einen "Discobesucher fast totgeprügelt" haben soll. Der Schock ist groß. Denn das Steckbrieffoto nach dem unbekannten Discoschläger stammt von der Polizei und ist auch in anderen Blättern und Online-Zeitungen veröffentlicht worden.

Den Springer-Verlag hat der Betroffene verklagt, weil Bild über die polizeilich veranlasste Suche nach einem Verdächtigen hinaus durch Formulierungen den Eindruck erweckt habe, es stehe bereits fest, dass der abgebildete Mann der gesuchte Täter sei. Durch diese Art der Darstellung seien die Unschuldsvermutung und damit die Grenzen der Verdachtsberichterstattung verletzt worden.

Der zum selben Verlag gehörenden Onlineausgabe der Welt wirft er vor, dieses Fahndungsfoto tagelang im Internet präsentiert zu haben, obwohl die Polizei längst durch einen Nachtrag zum Pressebericht mitgeteilt hatte, dass sich der Verdächtige der Polizei gestellt habe und die Tat bestreite. Der Vorfall hatte damals bundesweit großes Aufsehen erregt, weil es im selben Zeitraum mehrere brutale Vorfälle in Bars auf der sogenannten Feierbanane gegeben hatte.

Trotz Unterlassungserklärung blieb das Foto online

Der Kläger war Medizinstudent und daneben als Rettungssanitäter in München tätig. Er hatte sich tatsächlich in der Nacht zum 13. Juli 2012 in der "089"-Bar am Maximiliansplatz aufgehalten. Ein Unbekannter hatte dort einem 32-Jährigen heftig ins Gesicht geschlagen: Der Getroffene wurde mit lebensbedrohlichen Brüchen am Schädel ins Krankenhaus gebracht. Das Opfer identifizierte später anhand von Fotos den nun klagenden Münchner als den Schläger. Offenbar ein Irrtum: Die Ermittlungen gegen den Verdächtigen wurden eingestellt, der Täter nie gefasst.

Das Landgericht München I sprach dem Münchner 2000 Euro Vertragsstrafe zu, weil welt.de trotz Unterlassungserklärung das Fahndungsfoto zu lange online gelassen hatte. Die Veröffentlichung selbst hielt das Gericht für in Ordnung, da es von der Polizei, also einer "privilegierten Quelle", stammte.

In der Berufungsverhandlung am Dienstag vor dem Oberlandesgericht München kritisierte der Pressesenat nun auch den vorverurteilenden Bild-Text. Beide Seiten einigten sich aber, den Streit durch Zahlung weiterer 1000 Euro beizulegen.

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