Prozess:Staatsanwalt fordert lebenslange Haft für Hebamme

Klinikum Großhadern in München, 2015

Auch im Klinikum Großhadern soll die Hebamme versucht haben, mehrere Frauen zu töten.

(Foto: Robert Haas)
  • Die Hebamme Regina K. ist wegen Mordversuchs an sieben hochschwangeren Frauen angeklagt.
  • Von 2007 bis 2014 soll sie erst in einem Krankenhaus im hessischen Bad Soden und dann in Großhadern Schwangere mit Medikamenten in Lebensgefahr gebracht haben.
  • Die Staatsanwaltschaft fordert lebenslange Freiheitsstrafe. Die Verteidigung plädiert auf Freispruch.

Von Christian Rost

Die wegen Mordversuchs an sieben hochschwangeren Frauen angeklagte Hebamme soll für ihre Taten mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe büßen. Dies hat Staatsanwalt Laurent Lafleur am Montag in seinem Plädoyer gefordert. Der Ankläger beantragte in der nicht öffentlichen Sitzung des Münchner Schwurgerichts außerdem, die besondere Schwere der Schuld festzustellen, damit Regina K. nicht vorzeitig aus der Haft entlassen werden kann, und ein lebenslanges Berufsverbot auszusprechen.

Die Vertreter der geschädigten Frauen, die als Nebenklägerinnen auftraten, schlossen sich dem Antrag Lafleurs an. Regina K. hatte nach seinen Worten "heimtückisch und aus niederen Beweggründen" gehandelt. Die Verteidiger verlangten einen Freispruch, weil die Beweise gegen die Hebamme nicht ausreichten, um sie auch nur in einem Fall zu verurteilen. Die Angeklagte sei für die Taten nicht verantwortlich, im Prozess habe sich auch kein Motiv ergeben. Die Staatsanwaltschaft indes geht davon aus, dass die Hebamme die Mordversuche "zur Aufwertung ihres Selbstwertgefühls und zur insgeheimen Demonstration einer Überlegenheit" verübt hat.

Lafleur sagte, die Hebamme habe versucht, insgesamt sieben Schwangere im Klinikum Großhadern beziehungsweise an ihrem vorherigen Arbeitsplatz in einem Krankenhaus im hessischen Bad Soden zu töten. In mehreren Fällen soll die 35-Jährige den Frauen kurz vor der Kaiserschnittentbindung heimlich den Blutverdünner Heparin verabreicht haben. Sie soll auch Medikamente eingesetzt haben, die zu einem Schwangerschaftsabbruch führen. Während der Eingriffe verloren die Frauen erhebliche Mengen an Blut. Einer Patientin mussten 44 Bluttransfusionen gegeben werden, ohne die sie nicht überlebt hätte. Die betroffenen Frauen - und zum Teil auch deren Männer - erlitten schwere Traumata. Zwei Patientinnen in Bad Soden musste infolge der Komplikationen die Gebärmutter entfernt werden.

Die Angeklagte äußerte sich vor Gericht nicht. Im Gespräch mit einer psychiatrischen Sachverständigen hatte sie lediglich gesagt, dass der Vorwurf, sie haben sieben Menschen töten wollen, für sie ein "Worst-Case-Szenario" sei. Sie sei pflichtbewusst, und weil sie gläubig sei, nehme sie ihr "Schicksal an, wie es kommt".

K. ließ sich in Kiel zur Hebamme ausbilden. 2004 legte die Frau mit blassem Teint, kinnlangen braunen Haaren und randloser Brille ihre Prüfung als eine der Klassenbesten ab. Von 2007 an arbeitete sie an der Klinik in Bad Soden. Während ihrer Tätigkeit dort war es zu unerklärbaren Komplikationen bei Schwangeren gekommen. Regina K. geriet unter Verdacht und wurde vom Dienst freigestellt. Vor dem Arbeitsgericht schloss sie mit der Klinik einen Vergleich: Sie bekam ein Zeugnis mit der Note "gut".

Im Juli 2012 trat sie eine Stelle in der Geburtshilfe in Großhadern an. Als ihr ehemaliger Chef in Bad Soden davon erfuhr, warnte er seine Münchner Kollegen. Regina K. wurde in einem Personalgespräch darüber informiert, dass sie unter Beobachtung gestellt werde. Dennoch soll sie in der Folge weiter Frauen geschädigt haben: Bis Juni 2014 kam es in vier Fällen zu lebensbedrohlichen Situationen im Kreißsaal. Das Urteil wird am Freitag verkündet.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: