Prozess:Schuss auf einen Patienten

  • Ein 42-Jähriger geht mit zerbrochenem Glas auf einen Polizisten los.
  • Der Polizist schießt dem Mann in den Bauch, der daraufhin notoperiert werden muss.
  • Der Mann leidet an paranoider Schizophrenie. Nun entscheidet ein Gericht, ob er dauerhaft in die Psychiatrie muss.

Von Christian Rost

Der Schuss eines Polizisten auf einen lebensmüden Psychiatriepatienten in Haar beschäftigt seit Montag das Landgericht München I. Vor der 20. Strafkammer muss sich aber nicht der Beamte verantworten, sondern der Patient. Die Staatsanwaltschaft hat die dauerhafte Unterbringung des 42-Jährigen in einer geschlossenen Einrichtung beantragt, weil er eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle.

Arjun T. (Name geändert) leidet an einer paranoiden Schizophrenie. Schon öfter ist er in der Psychiatrie behandelt worden. Vor einigen Jahren wurde der Pizzabäcker eingewiesen, nachdem er versucht hatte, seinen Arbeitgeber mit einem Messer zu töten. Am 9. November 2014 begab sich T. freiwillig ins Isar-Amper-Klinikum und ließ sich auf der geschlossenen Station behandeln. Er war schon zwei Tage in der Klinik, als es zu dem für ihn beinahe tödlichen Zwischenfall kam.

Was genau passiert ist

Arjun T. verschaffte sich gegen 2 Uhr nachts auf unbekannte Weise eine Balsamico-Flasche, deren Kopf er abschlug, um sich mit dem scharfkantigen Glas eine stark blutende Wunde am Hals zuzufügen. Pfleger, die beruhigend auf ihn einredeten, ignorierte er und drohte, sich umzubringen. Er verlangte ein Taxi und wollte mit der Polizei sprechen.

Von den Pflegern alarmiert, traf wenig später eine Streife der Polizeiinspektion Haar ein. Die Beamten hatten einen Diensthund dabei. Nach Darstellung der Staatsanwaltschaft redete ein 40-jähriger Polizeihauptkommissar auf den am Ende eines etwa zehn Meter langen Ganges stehenden Patienten ein. Arjun T. kniete sich zwar kurz hin, legte aber die abgebrochene Flasche nicht ab. Mehrmals soll er mit der Flasche in der Hand in Richtung des Polizisten gegangen sein, der seine Dienstwaffe zog und ihn anwies, auf Distanz zu bleiben.

Nach etwa einer halben Stunde eskalierte die Situation. Der Beschuldige soll mit den Worten "Ich kann auch noch mehr" nach einem Feuerlöscher gegriffen und damit die Scheibe eines gerahmten Bildes zertrümmert haben. Er nahm eine 20 mal 20 Zentimeter große Scherbe in die eine Hand und hielt in der anderen noch immer die Flasche.

Warum T. fast ums Leben gekommen wäre

Dann rief er "Ich mach mich bereit" und ging schnellen Schrittes auf den Polizisten zu. Der Beamte habe noch versucht, nach hinten auszuweichen, so die Staatsanwaltschaft, den Mann aber nur mit einem Schuss aus seiner Neun-Millimeter-Waffe stoppen können. Arjun T. erlitt einen lebensgefährlichen Bauchdurchschuss und musste notoperiert werden.

Vor Gericht sagte er, dass er dem Polizisten nicht näher als fünf Meter gekommen sei, was auch sein Verteidiger Adam Ahmed betonte. Dennoch habe er damit gerechnet, dass auf ihn geschossen werde, sagte T. Verstehen könne er heute aber nicht, warum man ihm in den Bauch und nicht etwa in ein Bein geschossen habe. Dass er psychisch krank ist, ist Arjun T. voll bewusst. Er leide an Paranoia, damals in der Klinik habe er gedacht, alle wollten ihn umbringen. Auf die Frage der Vorsitzenden Richterin Sigrun Broßardt, ob er es damals darauf angelegt habe, von der Polizei getötet zu werden, sagte T.: "Ich war froh, dass er auf mich geschossen hat."

Der Polizist hatte aus Sicht der Staatsanwaltschaft in einer "klassischen Notwehrsituation" geschossen. Nach einer Voruntersuchung durch das Landeskriminalamt leitete die Staatsanwaltschaft kein Ermittlungsverfahren gegen ihn ein. Das Verfahren gegen T. wird fortgesetzt.

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