Prozess:Psychisch Kranker rammt Mann ein Messer in den Kopf

  • Atsou A. steht vor Gericht, weil er einem Mann auf der Straße ein Messer in den Kopf gerammt hat.
  • Das 48-jährige Opfer überlebte und tritt im Prozess als Nebenkläger auf.
  • A. leidet an Schizophrenie und dachte, dass der Mann ihn beleidigt hatte.

Von Andreas Salch

Sobald Atsou A. seine Wohnung verließ, wurde er beleidigt. "Idiot, Dreckskerl, Abschaum", zischten die Leute hinter seinem Rücken. Am frühen Abend des 2. Juni vergangenen Jahres beschloss der 32-jährige Dachdecker, den Menschen, die ihn ständig schmähten, "Angst zu machen", wie er sagt. Ein Handwerker wäre dabei fast gestorben. Atsou A. stieß dem Mann an der Ecke Gaißacher Straße/Thalkirchner Straße in Sendling ein Küchenmesser so tief in die linke Kopfhälfte, das es darin stecken blieb. Die Klinge drang in das Gehirn ein. Der 48-jährige Trockenbauer soll A. als Idiot bezeichnet haben. Er überlebte.

Seit Dienstag muss sich Atsou A. vor der 9. Strafkammer am Landgericht München I verantworten. Inzwischen weiß er, dass ihn tatsächlich niemand beleidigt hatte. Atsou A. leidet seit mehreren Jahren an Schizophrenie. Nach der Tat wurde er im Isar-Amper-Klinikum einstweilig untergebracht und wird behandelt. Die Staatsanwaltschaft hat seine Unterbringung in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik gefordert.

"Alles, was ich gehört habe, habe ich in meinem Kopf gehört", entschuldigt sich Atsou A. am Beginn der Verhandlung bei dem Mann, der ihm im Sitzungssaal B 273 des Strafjustizzentrums schräg gegenübersitzt. Es ist jener Trockenbauer, der die Messerattacke fast mit dem Leben bezahlt hätte. Er tritt als Nebenkläger auf.

Der 48-Jährige stand am frühen Abend des 2. Juni 2017 mit einem Kollegen vor einem Haus in der Gaißacher Straße, als der Beschuldigte plötzlich von der anderen Straßenseite auf ihn zustürmte. "Was hast Du gesagt?", herrschte A. den Trockenbauer an und attackierte ihn. "Bevor er was sagte, steckte das Messer schon im Kopf", so der Dachdecker bei seiner Vernehmung. Nach der Tat war er geflüchtet. Doch in der Reuthberger Straße wurde er von einem Kollegen des Trockenbauers, der ihn verfolgt hatte, sowie zwei alarmierten Polizisten überwältigt und festgenommen.

Er habe den 48-Jährigen nicht umbringen wollen, versichert A. den Richtern. Er habe nur "Angst machen wollen". Außerdem habe er vor der Tat innerhalb kurzer Zeit fast eine ganze Flasche Wodka getrunken. "Das war ein Fehler", so A. Denn er wusste, sobald er Alkohol trank, wurden auch die Stimmen, von denen er glaubte, dass sie ihn beleidigen, immer lauter und schlimmer. Der Trockenbauer leidet bis heute unter den Folgen der Tat. In der linken Gesichtshälfte hat er Taubheitsgefühle, auf dem linken Ohr hört er schlecht. Der Prozess wird fortgesetzt.

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