Prozess:Pfleger muss wegen Missbrauchs einer Autistin achteinhalb Jahre in Haft

Prozess wegen schweren sexuellen Missbrauchs

Der ehemalige Pfleger im Gerichtssaal.

(Foto: dpa)
  • Ein ehemaliger Pfleger muss ins Gefängnis, weil er eine schwer behinderte Frau missbraucht hat.
  • Die Frau hat ein Kind entbunden. Stefan A. gibt zu, der Vater zu sein, behauptet aber, die mittlerweile 28-Jährige nicht vergewaltigt zu haben.
  • Das Gericht glaubte ihm nicht und nannte seine Erklärungen lebensfremd.

Aus dem Gericht von Andreas Salch

Wegen sexuellen Missbrauchs einer geistig schwer behinderten Frau ist ein ehemaliger Pfleger zu acht Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt worden. Im Franziskuswerk Schönbrunn im Kreis Dachau, einer der größten Pflegeeinrichtungen in Bayern, war die Frau von dem heute 52-jährigen Stefan A. schwanger geworden. Sie gebar ein gesundes Kind, das inzwischen von einer Familie adoptiert worden ist. A. musste sich am Donnerstag vor der 1. Strafkammer am Landgericht München II verantworten - wegen des schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person.

"Es ist eine ungewöhnliche Beschreibung"

Stefan A. hatte während den Ermittlungen geleugnet, der Vater des Kindes zu sein - dies wurde aber durch einen Gentest widerlegt. Zu Prozessbeginn ließ er eine Erklärung durch einen seiner beiden Verteidiger verlesen. A. bekannte sich darin, zwar "Erzeuger" des Kindes zu sein, bestritt aber, dass es zum Geschlechtsverkehr mit der Frau gekommen sei, die an massiven Entwicklungsstörungen leidet. Es klang merkwürdig, wie A. die Empfängnis erklären ließ.

Er habe die Frau nicht sexuell berührt, "weder mit den Händen noch mit anderen Körperteilen". Das Kind sei gezeugt worden, als er sich bei einem Nachtdienst im August 2014 nach dem Waschen hinter der nackten Frau selbst befriedigte. Sie habe das nicht gesehen und von der Zeugung nichts mitbekommen. Er könne nicht sagen, was da über ihn gekommen sei.

"Es ist eine ungewöhnliche Beschreibung, wie es zur Schwangerschaft gekommen sein soll. Ausschließbar ist es nicht", sagte der Gerichtsmediziner Wolfgang Eisenmenger im Prozess. Auf eine prozentuale Einschätzung der Schwangerschaftschance auf diesem Wege ließ sich der Mediziner nicht ein. "Ich würde mal sagen: Sehr wahrscheinlich ist es nicht." Derartige Fälle kämen jedoch in der Literatur immer wieder vor. Auch eine Gynäkologin sagte, eine Schwangerschaft auf diesem Weg sei "nicht unmöglich, aber eher unwahrscheinlich".

A.s Erklärungen seien lebensfremd, unwahrscheinlich und voller Ungereimtheiten

Die Verteidiger, Rechtsanwalt Ekkehard Dehn und Birgit Schwerdt, sagten am Rande der Verhandlung, wenn die Frau nicht bemerkt habe, wie sich A. hinter ihr selbst befriedigt habe, liege auch kein sexueller Missbrauch einer widerstandsunfähiger Person vor. Mit dieser Frage musste sich das Gericht intensiv auseinandersetzen. Denn es gibt keine Zeugen - und das Opfer kann sich wegen seiner schweren Behinderung nicht zu dem mutmaßlichen Vorfall äußern. Ohne die Schwangerschaft, die den Mitarbeitern des Franziskuswerks im Februar dieses Jahres auffiel, wäre der mutmaßliche Übergriff an der 28-Jährigen wahrscheinlich nie ans Licht gekommen.

A. saß während des Vortrags des Sachverständigen regungslos da. Der 52-Jährige hat mehrere Berufe erlernt: Rettungssanitäter, Betonbauer, Landschaftsgärtner, Heilpraktiker und Yogalehrer. Im September 2014 kündigte er nach 18 Jahren seine Stellung als Nachtpfleger im Franziskuswerk. Zuvor hatte er zwei Abmahnungen erhalten. Er soll gegenüber älteren Bewohnern handgreiflich geworden sein.

Staatsanwalt Florian Burckhardt sagte, er sei absolut davon überzeugt, dass Stefan A. den Beischlaf vollzogen habe. Er forderte eine Verurteilung zu zwölf Jahren Haft; die Anwältin der Eltern des Opfers forderte sogar 13 Jahre Haft. Die Verteidiger des 52-Jährigen plädierten dafür, eine Bewährungsstrafe zu verhängen.

Der Vorsitzende Richter Martin Rieder sagte bei der Urteilsbegründung, die Kammer schenke A.s Erklärung zu den Umständen der Tat keinen Glauben. Sie seien nicht nur lebensfremd und unwahrscheinlich, sondern voller Ungereimtheiten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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