Prozess:Pfleger geht gegen Urteil wegen sexuellen Missbrauchs in Revision

  • Das Landgericht München I rollt den Fall eines 57-jährigen Pflegers neu auf, der im Klinikum Großhadern eine 63-jährige Herzpatientin sexuell missbraucht haben soll.
  • In erster Instanz war der Münchner zu einer Gefängnisstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt worden.
  • Die Biografie des Mannes weist bereits etliche Kündigungen auch wegen sexuellen Missbrauchs auf.

Von Susi Wimmer

Richter zählen in der Regel zu der akribischsten Spezies auf diesem Planeten - zumal sie über Recht und Unrecht entscheiden, über Freiheit oder Gefängnis. Fällt das Landgericht München ein Urteil, so kann der Verurteilte keine Berufung einlegen, bei der die komplette Beweisaufnahme noch einmal aufgerollt wird. Sondern er kann lediglich in Revision gehen, das heißt, ein Gremium überprüft das Verfahren auf etwaige Rechtsfehler. Nur etwa drei Prozent aller Revisionsanträge sind erfolgreich. Und mit so einem selten Fall hat es nun die elfte Kammer am Landgericht München I zu tun: Sie rollt den Fall eines 57-jährigen Pflegers neu auf, der im Klinikum Großhadern eine 63-jährige Herzpatientin sexuell missbraucht haben soll.

In erster Instanz war der Münchner zu einer Gefängnisstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt worden. Außerdem untersagte ihm das Gericht, jemals wieder einen Heilberuf auszuüben. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft datieren aus Juni 2015. Damals wurde eine Frau mit Vorhofflimmern in die Notaufnahme in Großhadern eingeliefert. Nach einer Nacht auf der Intensivstation kam sie auf die Internistische, dort war Waldemar J. als Pfleger tätig.

Nach einem Tag auf seiner Station soll er die an einem Waschbecken stehende Frau entkleidet und am ganzen Körper eingecremt haben. Eine Nacht später soll er gegen 2 Uhr früh in ihr Zimmer gegangen und sich zu ihr ins Bett gelegt haben. Laut der Anklage habe der Mann gewusst, dass die Frau ein starkes Beruhigungsmittel eingenommen hatte und sie "in ihrer Gegenwehr eingeschränkt war". Dann soll er versucht haben, sie zu vergewaltigen. Allerdings hielt die Frau ihre Beine fest überkreuzt und spannte ihren Körper an. Auch der Oralverkehr scheiterte, schließlich ließ der Pfleger laut Anklage von ihr ab.

Nach dem Urteil im Juni 2016 gab der Bundesgerichtshof (BGH) dem Revisionsantrag im Januar 2017 in Teilen recht, weil das besondere Äbhängigkeitsverhältnis des Opfers gleichsam doppelt ins Strafmaß eingeflossen war: Der Mann war wegen sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Betreuungsverhältnisses verurteilt worden - und obendrein war strafverschärfend angeführt worden, dass er als Pfleger tätig war. Der BGH kippte das Urteil in Teilen und hob auch das Berufsverbot auf.

Im ersten Verfahren hatte der Pfleger alle Anschuldigungen zurückgewiesen. Nun will er keine Angaben machen. Das Gericht verliest einen Lebenslauf, der geprägt ist von etlichen Kündigungen. Das Rote Kreuz in Göttingen etwa wollte mit ihm nichts mehr zu tun haben, es ist die Rede von angeblich "falschen Anschuldigungen", und auch in einem Heim in Ebersberg flog der heute 57-Jährige raus, weil er eine 88-Jährige sexuell belästigt haben soll. Schließlich wurde er 2012 vom Amtsgericht Ebersberg wegen sexuellen Missbrauchs in zwei Fällen zu zehn Monaten auf Bewährung verurteilt und es wurde ihm für fast zwei Jahre verboten, als Pfleger Frauen über 60 Jahre zu betreuen. Was ihn nicht abhielt, an seinem neuen Arbeitsplatz in Großhadern die Auflagen zu ignorieren. Anwalt Stephan Lucas beantragte, die Geschädigte als Zeugin zu laden.

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