Prozess:Obdachlose wegen Mordes an Frau vor Gericht

Mordprozess um mumifizierte Leiche einer Obdachlosen in München: Anklage fordert lebenslange Haft

Die Angeklagten wollten beim Prozessauftakt nicht erkannt werden und versteckten sich vor den Pressefotografen hinter Kapuzen und Aktendeckeln.

(Foto: Matthias Balk/dpa)
  • Fünf Männer sind vor dem Landgericht München I wegen Mordes an einer Frau, Körperverletzung und Beihilfe bei der Beseitigung einer Leiche angeklagt.
  • Die mumifizierte Leiche der Frau wurde bei Bauarbeiten 2016 in einem Sickerschacht auf dem ehemaligen Gelände des Holzkontors in Haidhausen gefunden.

Von Susi Wimmer

Der Tod von Irena T., er muss lange und qualvoll gewesen sein. Zuerst soll ihr einer der Obdachlosen mit dem Fuß die Zähne ausgeschlagen haben, dann sollen zwei andere Männer sie zwei bis drei Stunden lang geschlagen und abwechselnd gewürgt haben. Ironisch lachend soll später Przemyslaw U. erzählt haben, dass er der 48-Jährigen immer wieder mit dem Hammer auf den Kopf geschlagen habe, und es ihm nicht gelungen sei, sie zu töten.

Erst nach dem achten Schlag habe sie sich noch einmal aufgebäumt, dann sei sie gestorben. Fünf Männer sitzen seit gestern vor dem Landgericht München I, zwei sind angeklagt wegen Mordes, einer wegen Körperverletzung und zwei weitere, weil sie bei der Beseitigung der Toten geholfen haben sollen. Die Leiche von Irina T. war im September 2016, gut ein Jahr nach der Tat, in einem Sickerschacht auf dem ehemaligen Gelände des Holzkontors in Haidhausen gefunden worden.

Vom mutmaßlichen Tatort ist heute nichts mehr zu sehen. An der Ecke Rosenheimer Straße und Orleansstraße wird gerade ein überdimensionales Eckgebäude hochgezogen. Im Sommer 2015 lag das riesige Areal noch völlig verlassen da: Das Holzkontor hatte den Betrieb eingestellt, in dem kleinen Häuschen und dem hölzernen Nebengebäude hatten sich Obdachlose eingerichtet. Irena T. lebte dort, eine gebürtige Polin, die zum Arbeiten nach Deutschland gekommen war. Vermutlich aufgrund ihrer Alkoholsucht war sie ins Obdachlosen-Milieu abgerutscht, ebenso wie ihr Lebensgefährte Wojciech S., mit dem sie dort lebte.

Im Holzanbau hatten sich Tomasz W. und Dorota D. niedergelassen. Zum Reden - und Trinken - kamen auch immer drei polnische Landsleute zu Besuch. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft soll Irena T. sich "herrisch und streitsüchtig" aufgeführt haben, ihr Lebensgefährte sowie die anderen Männer sollen sie teils massiv verprügelt haben.

Vor Gericht verstecken die Angeklagten allesamt ihre Gesichter hinter Aktendeckeln oder unter Kapuzen. Nur einer hebt den Kopf und hält den Pressekameras den gestreckten Mittelfinger entgegen. Zur Sache sagen sie "derzeit nichts", vielleicht wollen sie abwarten. Denn einer von ihnen, Tomasz W., will auspacken. Er erzählt von dem Grillabend, "irgendwann gegen Ende des Sommers 2015", wo es laut Anklage zunächst wegen der Verteilung des Essens und der Getränke zu einem Streit kam.

Irena T. soll den Männern vorgeworfen haben, dass sie schuld seien, dass sie auf der Straße lebe, dass sie den Platz verlassen sollten, weil es ihr Gelände sei, "und sie hat meine Mutter als Hure beleidigt", sagt der 44-jährige Tomasz W. Daraufhin habe er die Frau mit der flachen Hand geschlagen, ein paar Minuten später habe er zu einem Fußtritt ausgeholt, den er aber abgebremst habe. In dem Augenblick habe sich die sitzende Irena T. nach vorne gebeugt, sodass sie der Fuß getroffen habe. Eine Darstellung, die bei dem Vorsitzenden Richter Norbert Riedmann einige Fragen offen lässt. Anschließend habe Irena T. geschrien, er habe ihr die Zähne ausgeschlagen und selbige auf den Boden gespuckt. Außerdem soll sie gedroht haben, die Misshandlungen bei der Polizei anzuzeigen.

Laut Anklage sollen Tomasz W. und der Lebensgefährte Wojciech S. die Frau ins Haus gezerrt und weiter auf sie eingeprügelt haben, ehe Tomasz W. sich im Nebengebäude schlafen legte. Spät in der Nacht, sagt Tomasz W., sei er von Wojciech S. geweckt worden. "Komm, schau, was passiert ist", soll er gesagt und ihn ins Haupthaus geführt haben. Dort sei Irena T. wie aufgebahrt auf mehreren Decken gelegen, die Hände wie zum Gebet gefaltet, auf der Brust ein kleines Kreuz.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, das Wojciech S., nachdem Tomasz W. sich schlafen gelegt hatte, den Saufkumpan Przemyslaw U. hinzu geholt und gesagt habe, dass man die Frau jetzt "kalt machen" müsse. Nach mehrstündigem Gewaltexzess soll Irena T. gestorben sein. "Sie konnte sich nicht beruhigen, sie wollte zur Polizei gehen", zitiert Tomasz W. vor Gericht den Lebensgefährten nach der Tat. Dann sollen sie die Leiche mit Hilfe der polnischen Landsleute Lukasz R. und Dominik B. in einen Sickerschacht auf dem Gelände geworfen haben. Den Schacht verschlossen sie mit einem Deckel. Als die Leiche im September 2016 bei Bauarbeiten entdeckt wurde, befand sie sich in mumifiziertem Zustand. Nach und nach nahm die Polizei die fünf Verdächtigen fest. Der Prozess wird am 22. Februar fortgesetzt.

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