Prozess:Massagetherapeut missbraucht jugendliche Flüchtlinge

  • Der 50-Jährige lockte die Jugendlichen in seine Praxis und Privatwohnung und verging sich dort an ihnen.
  • Für die "Beschaffung" neuer Opfer versprach er 50 Euro.
  • Der mehrmals vorbestrafte Täter muss drei Jahre ins Gefängnis. Er habe sich die Notlage der Flüchtlinge zunutze gemacht.

Von Susi Wimmer

Er hatte sich an Buben vergriffen, die wehrloser nicht hätten sein können: Minderjährig, aus Kriegsgebieten geflüchtet und ohne Eltern in Deutschland gestrandet. Der 50-jährige Massagetherapeut hatte die Flüchtlinge vergangenes Jahr in seine Praxis sowie in seine Privatwohnung gelockt und sexuell missbraucht.

Am Dienstag saß der bereits mehrfach vorbestrafte Kinderschänder Christian B. nun auf der Anklagebank, einsichtig und voll geständig, was zumindest den sechs Opfern eine Aussage vor Gericht ersparte. Richterin Karin Jung schickte den Angeklagten nach kurzer, nicht-öffentlicher Verhandlung und einem Deal aller Prozessbeteiligten für drei Jahre hinter Gitter.

Christian B. hält sich einen Aktendeckel vor das Gesicht, als er den Gerichtssaal betritt. Die Zuschauerränge sind bis auf den letzten Platz besetzt, eine Schulklasse wartet gespannt auf den Beginn. Christian B. ist ein gepflegt wirkender Mann mit Glatzenansatz, beigem Pulli und Jeans - und einem Ring am Finger. Er lebe in einer eingetragenen Partnerschaft, sagt er. Marco Noli und seine Societäts-Kollegen Fischer und van Bracht beantragen als Nebenklägervertreter den Ausschluss der Öffentlichkeit, zum Schutze ihrer vier Mandanten; zwei Opfer sind ohne Vertretung gekommen.

Richterin Jung stimmt dem zu, allerdings nicht in allen Punkten. "Wir wollen uns nicht den Vorwurf der Schattenjustiz gefallen lassen", sagt sie - und lässt etwa die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft laut verlesen. Christian B. blättert währenddessen geschäftig in seinem mitgebrachten Aktenordner und hebt kein einziges Mal den Kopf.

Zuerst geht es um einen Chat mit einem Jungen, etwa elf bis 13 Jahre alt. Er sollte sexuelle Handlungen an sich vornehmen und dem Masseur dann ein entsprechendes Foto schicken. Was de jure als sexueller Missbrauch von Kindern und Beschaffung kinderpornografischer Schriften gilt. Außerdem knüpfte der Masseur Kontakt zu unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Burschen, die aus Kriegsgebieten wie Syrien, Afghanistan oder Irak geflüchtet waren. Die meist traumatisierten Jugendlichen wurden zunächst in einer Wohngruppe untergebracht, ehe über ihre weitere Betreuung entschieden wurde. Die Wohngruppe befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft zur Massagepraxis von Christian B. in Pasing.

Zunächst gelangte der Angeklagte an eine Handynummer, wie genau, blieb im Unklaren, später erweiterte er seinen "Bekanntenkreis". Über Handynachrichten bestellte er die Jugendlichen im Alter zwischen 15 und 17 Jahren in seine Praxis, oder auch in seine Privatwohnung in Milbertshofen. Dort mussten sich die Jugendlichen dann ausziehen und misshandeln lassen, am Ende drückte er ihnen einen Zehn- oder Zwanzig-Euro-Schein in die Hand. Und: Für die "Beschaffung" von neuen Opfern versprach er den Minderjährigen eine "Provision" von 50 Euro. Wie eine Zeugin der SZ erklärte, seien die Jugendlichen in der Gruppe immens unter Druck gestanden. In einem fremden Land, mit einer fremden Kultur und der Frage: "Muss ich das machen, was deutsche Erwachsene sagen?"

Ein Punkt, den auch Richterin Karin Jung in ihrem Urteil berücksichtigte. Die Jugendlichen seien mit den hiesigen Strukturen nicht vertraut gewesen und als "besonders gefährdet und anfällig" anzusehen. Außerdem lastete sie dem 50-jährigen Münchner sein enormes Strafregister an. Seine erste Verurteilung liegt genau zehn Jahre zurück - auch damals ging es um sexuellen Missbrauch von Jugendlichen. Es folgten acht weitere Verfahren unter anderem wegen Missbrauchs, Exhibitionismus und Beleidigung.

Christian B. saß auch im Gefängnis, kam frei und stand bis Dezember 2014 zehn Jahre lang unter Führungsaufsicht und musste bestimmte Auflagen einhalten, etwa ein Kontaktverbot zu Kindern oder Jugendlichen. Gegen diese Auflagen verstieß er dann wieder zweimal. Im Januar 2016 schließlich machte er sich via Handy an ein Kind heran - und vergriff sich in zehn Fällen an jugendlichen Flüchtlingen.

Christian B. nahm das Urteil gefasst zur Kenntnis. Sein Anwalt Tom Heindl will nach ersten Aussagen nicht in Berufung gehen.

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