Prozess:Mann soll sich an schlafender Bekannter vergangen haben

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  • Ein 37-Jähriger soll eine Frau vergewaltigt haben, die auf einem Sofa in der Wohnung eines gemeinsamen Bekannten geschlafen hatte.
  • Sowohl der Sportlehrer als auch die Frau sollen beim Feiern an Neujahr Drogen konsumiert haben.

Von Susi Wimmer

Er trägt ein blütenweißes Langarmhemd, sie eine schwarze Bluse. Ihre extrem schmalen Schultern darunter fallen auf und der kerzengerade Rücken, fast wie bei einer Schaufensterpuppe. Eigentlich wollte Verena S. ( Name geändert) nur in seiner Abwesenheit aussagen. Doch jetzt sitzt sie doch vor dem Schöffengericht am Amtsgericht München und erzählt von dem Morgen des 2. Januar, als sie aufwachte, "weil er sich an mir vergangen hat".

"Er", das ist der 37 Jahre alte Andrey R., von Beruf Kampfsporttrainer, gebürtiger Brasilianer und zur Zeit in Haft. Allerdings sitzt er nicht hinter Gittern, weil ihm Staatsanwalt Markus Michl Vergewaltigung vorwirft, sondern wegen eines anderen Deliktes. Andrey R. hat offenbar ein massives Drogenproblem und war zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Die Bewährung wurde aufgrund des aktuellen Falls widerrufen. "Dabei wollte ich doch nach Baden-Württemberg ziehen, weg von München und den Drogen, und ein neues Leben anfangen", sagt er. Der Plan ging allerdings nicht auf.

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Andrey R. erzählt, dass er Verena S. vor etwa zwei Jahren kennengelernt habe. Es fallen die Worte "Bewährungshelfer", "tiefe Depression", "Drogen" und "Optimolgelände". Man sei sich gelegentlich über den Weg gelaufen. "Sie konsumierte Drogen, Crystal Meth, und verkaufte sie auch", behauptet er. Dann räumt er ein, dass er vor der Tat vier bis fünf Ecstasy-Tabletten eingeworfen habe, die halluzinogene Droge LSD, Cannabis und ein bisschen Alkohol. "Nur ein bisschen. Ich bin Sportlehrer, da muss man auf den Körper aufpassen."

Den Silvesterabend hatten beide Beteiligte getrennt voneinander durchgefeiert. Verena S. und ihr Cousin waren am Abend des 1. Januar weitergezogen zu einem Bekannten, Richard K., der an der Anzinger Straße wohnt, fußläufig zu den Optimolwerken. Dort trafen sie auf Andrey R., insgesamt hielten sich acht Personen in der Wohnung auf. "Wir haben uns unterhalten, Verena hat gemalt", so beschreibt eine Zeugin den Abend. "Es os wos auf'n Tisch g'legen", so nennt es der aus Österreich stammende Cousin von Verena S. "Aber wer, wann, wo, wievui . . .", daran kann sich der 26-Jährige nicht erinnern. Und Richter Sebastian Schmitt wiederholt ein ums andere Mal, dass sich die Zeugen bei ihren Aussagen nicht selbst belasten müssen.

Verena S. sagt aus, sie sei nach einem kurzen Besuch in der Spielothek am Rosenheimer Platz gegen 3 Uhr wieder in der Wohnung angekommen und habe sich alleine auf der Couch schlafen gelegt. Als sie gegen 10 Uhr morgens erwachte, sei Andrey R. hinter ihr gelegen und habe den Geschlechtsverkehr vollzogen. "Ich habe kurz überlegt, ob das wirklich passiert oder ob ich träume", sagt die 28-Jährige stockend. Dann sei sie aufgesprungen und habe geschrien und ihn beschimpft. Er habe geantwortet: "Es ist doch nichts passiert." Verena S. ging zur Polizei und die nahm Andrey R. wenig später in der Wohnung fest.

Welchen Einfluss hatten die Drogen?

Er sei ein guter Mensch, versichert Andrey R., kein Draufgänger, eher zurückhaltend. Sie habe sich zu ihm auf die Couch gelegt und er habe den Arm um sie gelegt und sei kuschelnd mit ihr eingeschlafen. Am Morgen habe er sie von hinten massiert und sie entkleidet. Sie habe mitgemacht, bis sie dann plötzlich aufgesprungen sei und "Dreckschwein" gerufen habe.

"Jedermann hier ist klar, dass Sie das nicht wollten", sagt Berna Behomoaram, die Rechtsanwältin des Angeklagten, zu der 28-Jährigen. Aber laut einem Gutachten habe Verena S. "viel konsumiert" - könnte es da sein, dass sie mitgemacht habe, aber sich nicht erinnern könne? Die junge Frau widerspricht. "Ich weiß, dass ich nicht mit ihm gekuschelt habe. Ich fühle mich da eingeengt", sagt Verena S. Auch von den Zeugen kann keiner das Kuscheln bestätigen und die zwei Zeugen, die angeblich Streicheleien im Vorfeld beobachtet haben, sind nicht zum Verhandlungstermin erschienen. Sie sollen erneut geladen werden, der Prozess wird am 30. Juni fortgesetzt.

© SZ vom 19.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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