Prozess:Kriminell aus Liebe

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  • Im Liebeswahn hat ein Zöllner eine Kollegin bei kriminellen Machenschaften unterstützt.
  • Auch beruflich hat das für den Mann nun schwere Konsequenzen.

Von Ekkehard Müller-Jentsch, München

Liebe soll bekanntlich blind machen. Bei einem heute 57-jährigen Zöllner hat sie vor allem den gesunden Menschenverstand außer Kraft gesetzt. Im Liebeswahn hat der Münchner eine korrupte Kollegin bei kriminellen Machenschaften nach Kräften unterstützt. Finanzielle oder amouröse Vorteile hatte er davon nicht. Vielmehr ließ sich die Angebetete auch noch teure Geschenke machen, wie etwa einen Marbella-Urlaub. Mitfahren durfte der Spender nicht - dennoch ließ sich die Frau von ihm noch 1000 Euro nachschicken. Die Disziplinarkammer beim Verwaltungsgericht München hat den derzeit suspendierten Zollbetriebsinspektor, dessen Dienstgrad etwa mit dem eines Hauptfeldwebels der Bundeswehr vergleichbar ist, am Montag "aus dem Dienst entfernt".

Der Beamte vom Hauptzollamt München hatte zwischen Oktober 2002 und Juli 2008 in 29 933 Fällen mit seinem persönlichen Amtssiegel Ausfuhrpapiere für Waren abgestempelt, die gar nicht in seinen Kompetenzbereich fielen. Formell wird das als Amtsanmaßung gewertet. Was tatsächlich in den Kisten und Kartons war, hatte der Zöllner nie überprüft. Das Abstempeln habe er nur seiner Kollegin zuliebe gemacht, die dafür von einer Zollagentur mit je 2,50 Euro belohnt wurde. Von dieser Vergütung habe er aber nichts gewusst, versicherte der Beamte: "Ich war gutmütig und gutgläubig und habe zu allem Ja und Amen gesagt." Ihm hätten zudem die Speditionen leid getan, die Vorführung der Waren beim Zoll bedeute für sie oder die mit dem Papierkram beauftragten Zollagenturen einen großen Aufwand.

Vom Geld bekam der Mann nichts ab

Der Beamte und seine Kollegin arbeiteten eigentlich bei der Messe Riem. Sie sollten Güter kontrollieren, die auf Messen gezeigt worden waren und nun wieder ausgeführt werden sollten. In ihrem abgeschiedenen Zweipersonenbüro war der Zöllner der Frau offenbar verfallen und wurde so zu ihrem Komplizen. Doch während sie sich für ihre Einkommensklasse A 9, etwa 2800 Euro, dank der Nebeneinnahmen einen durchaus luxuriösen Lebensstil gönnen konnte - Mercedes-Sportwagen und Golfklub - fiel für ihn nichts ab. Trotzdem bezahlte er ihr sogar noch die Winterreifen und die Wartung des Cabriolets. Und er stempelte für sie brav die Arbeitszeiterfassung, wenn sie verschlafen hatte oder vor Dienstantritt noch den Hund ausführen wollte.

Aufgrund einer anonymen Anzeige war der Fall aufgeflogen. Gemeinsam hatten die beiden 43 589 Mal illegal Ausfuhrpapiere gestempelt. Die damals 39-Jährige wurde zu fünf Jahren Haft wegen Bestechlichkeit und Betrugs verurteilt, was sofort die Entlassung zur Folge hatte. Den Mann hatte das Strafgericht "nur" zu zehn Monaten mit Bewährung verurteilt. Der Beamte ist seither vom Dienst suspendiert und die Bezüge wurden um 25 Prozent gekürzt. Die Bundesrepublik Deutschland verlangte nun mit ihrer Klage die Entfernung des Zöllners aus dem Beamtenverhältnis.

Laut Psychiater war der Mann wahnhaft vernarrt

Dessen Rechtsanwalt Hans Aldebert verwies auf die Untersuchung durch einen Experten für forensische Psychiatrie, Norbert Nedopil: Der habe dem Beamten eine Persönlichkeitsstörung in Form einer wahnhaften Vernarrtheit in seine Kollegin bescheinigt, die ihn wie einen Abhängigen manipulieren konnte. Der Mann sei inzwischen aber therapiert, habe Nein-Sagen gelernt. Die Vertreter des Dienstherrn aber argumentierten, dass völlig unkontrolliert Waren das Land verlassen konnten. Die Folgen seien unkalkulierbar - der Zöllner habe sein Amt missbraucht. Ein "besonders schweres Dienstvergehen" sah dann auch das Gericht: "29 933 Fälle sprechen für sich" - solch ein Beamter könne weder dem Dienstherrn noch der Öffentlichkeit zugemutet werden.

Ob der Betroffene Berufung gegen das Urteil beantragt, ist noch offen.

© SZ vom 31.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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