Prozess:Kaufmanns falsches Geständnis

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Der Tod des Münchner Steuerberaters Hartmut Hagen gibt weiter Rätsel auf: Möglicherweise ist Schauspieler Günther Kaufmann für eine Tat verurteilt worden, die er gar nicht begangen hat.

Von Stephan Handel und Christian Rost

(SZ vom 26.08.2003) — Das Geständnis, das Günther Kaufmann eine Haftstrafe von 15 Jahren einbrachte, war offenbar falsch: Die drei Männer aus Berlin, die in der vergangenen Woche wegen Verdachts auf Tötung des Steuerberaters Hartmut Hagen festgenommen worden waren, gaben übereinstimmend an, dass Kaufmann bei dem Überfall nicht dabei war. Allerdings befand er sich kurz vor oder nach dem Trio am Tatort.

Inzwischen haben alle drei Männer ausgesagt - und gestanden, am 1. Februar 2001 Hartmut Hagen in seiner Villa in Großhadern überfallen zu haben. Beauftragt zu dem Raubüberfall habe sie Alexandra Kaufmann, die mittlerweile verstorbene Ehefrau des Schauspielers Kaufmann und damalige Geliebte eines der drei jetzt Beschuldigten.

Tod Hagens nicht beabsichtigt

Ihrem Geliebten soll sie von wertvollen Gegenständen in der Wohnung Hagens berichtet und ihn angewiesen haben, sich zwei Komplizen zu suchen. Diese fand er im Milieu am Ku'damm. Die Männer sagten aus, Kaufmann sei bei dem Überfall nicht bei ihnen gewesen. Hartmut Hagens Tod hätten sie nicht beabsichtigt, er sei während der Fesselung eingetreten.

Eine Obduktion der Leiche ergab, dass der Steuerberater nicht geschlagen und nicht gewürgt worden war. Das Ergebnis lautete vielmehr: erdrückt. "Mit allen Einzelheiten sind wir noch nicht zu Ende", sagt Oberstaatsanwalt Peter Boie.

Allerdings meint er auch: "Davon zu sprechen, Kaufmann sei unschuldig, das geht zu weit." Es seien Spuren von ihm am Tatort gefunden worden, so bestehe weiter der Verdacht, Kaufmann sei "in anderer Funktion" an der Tat beteiligt gewesen. Der Leiter der Münchner Mordkommission, Josef Wilfling, sagt, Kaufmann habe sich "zeitnah" in der Wohnung seines Steuerberaters und Bekannten Hagen aufgehalten.

Die Frage sei nun, ob er vor oder nach dem Überfallkommando aus Berlin dort war. Zwei der Beschuldigten gaben an, Hagen sei tot gewesen, als sie die Wohnung verließen. Ein Beschuldigter bestreitet dies. Der aus Fassbinder-Filmen bekannte Kaufmann hatte gestanden, er habe sich in einem Streit vorsätzlich auf sein Opfer fallen lassen - und es mit seinem Körpergewicht von damals 117 Kilogramm erstickt.

In der Auseinandersetzung ging es um einen Kreditbetrug. Hagen hatte Alexandra Kaufmann fast eine Million Mark geliehen und das Geld zurückgefordert.

Oberstaatsanwalt Boie sagte weiter, wenn die Ermittlungen abgeschlossen seien, werde der Prozess gegen die drei Männer in München stattfinden. Zwei Beschuldigte befinden sich bereits hier in U-Haft, der dritte wird noch von den Berliner Behörden überstellt.

Wiederaufnahmeverfahren möglich

Laut Boie "kann es für Günther Kaufmann eventuell zu einem Wiederaufnahmeverfahren kommen". Wie immer das dann auch ausgehen mag - verschlechtern würde sich der Verurteilte auf keinen Fall: Das Gericht dürfte keine höhere Strafe aussprechen als jene 15 Jahre Haft wegen versuchter räuberischer Erpressung mit Todesfolge, zu denen er im November des vergangenen Jahres verurteilt worden war.

All dies zusammengerechnet, bleiben zentrale Fragen: Was weiß Kaufmann von dem Raubüberfall der Berliner? Warum lässt er sich für eine Tat verurteilen, die er nicht begangen hat? Staatsanwalt Peter Boie sagt lediglich: "Darauf hätte ich auch gern eine Antwort."

Weitere Spekulationen gehen sogar so weit, dass Kaufmanns Kinder von den Räubern in irgendeiner Weise bedroht worden sein könnten und er sie mit dem Geständnis schützen wollte. Selbst Kaufmanns Münchner Anwalt Steffen Ufer spricht von einem "irren Rätsel". Er könne nicht sagen, weshalb Kaufmann sich der Tat bezichtigt habe, nur vermuten: So liege der Gedanke nahe, dass er seine Frau habe schützen wollen.

Seltsam sei allerdings die Tatsache, dass Kaufmann nach dem Tod seiner von ihm über die Maßen geliebten Frau weiter bei seiner Version geblieben sei. Ufer will nun in der kommenden Woche nach Berlin reisen, um den dort einsitzenden Günther Kaufmann zu befragen.

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