Prozess:27-Jähriger wegen versuchter Ausreise in Terrorcamp vor Gericht

Prozess wegen geplanter Reise ins Terrorcamp

Der 27-jährige Angeklagte im Landesgericht München.

(Foto: dpa)
  • Samir A. steht vor Gericht, weil er sich mutmaßlich der Al-Nusra-Front in Syrien anschließen wollte.
  • Sein Verteidiger ist der Meinung, dass der Paragraf, auf dem die Anklage beruhe, verfassungswidrig sei.
  • Der Paragraf wurde erst vor einem Jahr verschärft. Mit ihm soll verhindert werden, dass sich Islamisten aus Deutschland im Ausland Terrororganisationen anschließen.

Von Christian Rost

Es ist einer der bundesweit ersten Prozesse gegen einen mutmaßlichen Islamisten, der offenbar in Syrien kämpfen wollte, aber an der Ausreise gehindert wurde. Schon die angebliche Absicht des 27-jährigen Samir A., sich der Al-Nusra-Front anzuschließen, die die Armee des syrischen Regimes bekämpft, brachte ihm eine Anklage am Landgericht München I wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat ein. Zum Prozessauftakt am Donnerstag vor der Staatsschutzkammer beantragte seine Verteidigung, das Verfahren auszusetzen, weil der Paragraf, auf dem die Anklage beruhe, verfassungswidrig sei. Er war erst vor einem Jahr verschärft worden.

Samir A., ein kompakter Typ mit kahl geschorenem Kopf und Vollbart, wurde von einem halben Dutzend Wachtmeistern in den voll besetzten Gerichtssaal geführt. Der Vorsitzende Richter Norbert Riedmann fragte kurz die Personalien des ledigen, berufslosen, deutschen Angeklagten ab, der in Neuperlach aufgewachsen war. Dann verlas Staatsanwalt Florian Weinzierl die Anklage. Demnach ist Samir A. "Anhänger einer extremistisch-islamischen Ideologie". Er stehe in Kontakt mit Personen aus der salafistischen Szene, die es als Verpflichtung ansehe, sich am bewaffneten Kampf in Syrien zu beteiligen, so Weinzierl.

Samir A. soll am 24. Juni 2015 von München nach Ankara geflogen sein, um von dort aus über die Grenze nach Syrien zu gelangen. Da ihm die türkischen Behörden die Einreise verweigerten, musste er zwei Tage später nach Deutschland zurückkehren. Die Türkei informierte die deutsche Botschaft über den verdächtigen Reisenden, der daraufhin in München umfassend überwacht wurde.

Dabei soll sich der Verdacht erhärtet haben, dass A. sich der Al-Nusra-Front anschließen wollte. "Der Angeschuldigte wollte sich in Syrien im Umgang mit Schusswaffen und Sprengstoffen ausbilden lassen und war fest entschlossen, sich an Kampfhandlungen zu beteiligen", so der Staatsanwalt.

Am 10. Oktober 2015 versuchte A. erneut, in die Türkei zu gelangen. Am Münchner Flughafen wurde er festgenommen. In seinem Gepäck hatte er Outdoorkleidung bei sich, wie sie auch von Soldaten in der Wüste getragen wird.

Außerdem fanden Polizisten bei ihm zwei Mobiltelefone und 270 Euro Bargeld. Seit seiner Festnahme sitzt er in Stadelheim in Untersuchungshaft, wo er sich als Vorbeter betätigt und für den islamischen Glauben missioniert haben soll. Um dies zu unterbinden, veranlasste die Gefängnisleitung besondere Sicherheitsvorkehrungen.

Was bisher vor Gericht passiert ist

Vor Gericht machte Samir A. keine Angaben zum Anklagevorwurf: "Ich sage dazu nichts", meinte er. Stattdessen stellte sein Verteidiger Adam Ahmed einen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens. Der Paragraf 89a Strafgesetzbuch und der erst vor einem Jahr neu geschaffene Absatz 2a seien verfassungswidrig und müssten vom Bundesverfassungsgericht überprüft werden.

Der Paragraf stellt unter Strafe, wenn jemand "zum Zweck der Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat" aus Deutschland in einen Staat ausreist, in dem paramilitärische Unterweisungen erfolgen. Damit soll verhindert werden, dass sich Islamisten aus Deutschland im Ausland Terrororganisationen anschließen. Es droht eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

Ahmed sagte, der Paragraf rücke die Strafbarkeit "besonders weit ins Vorfeld" einer möglichen Tat. "Was wird eigentlich bestraft?", fragte der Verteidiger. Die Staatsschutzkammer sah es letztlich wie die Staatsanwaltschaft, die "keine Anhaltspunkte für eine Verfassungswidrigkeit" erkennen konnte, und lehnte den Antrag ab.

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