Prozess:20-Jähriger sticht auf den Kopf des schlafenden Bruders ein

  • Hakim M. steht wegen gefährlicher Körperverletzung vor Gericht.
  • Der 20-Jährige hat die Tat gestanden.
  • Die Staatsanwaltschaft geht von einem längeren Konflikt zwischen den Brüdern aus.

Von Christian Rost

Er lag im Bett und schlief, als sein Bruder das Schlafzimmer betrat, ihn minutenlang anblickte und dann plötzlich mit einem Küchenmesser auf seinen Kopf einstach. Dass das Opfer nur eine klaffende Schnittwunde erlitt und keine lebensgefährlichen Verletzungen, war pures Glück.

Seit Freitag muss sich der 20-jährige Hakim M. wegen der Attacke auf seinen zwei Jahre älteren Bruder vor der Jugendkammer am Landgericht München I verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm gefährliche Körperverletzung vor. Wäre M. nicht nach der Tat zur Polizei gegangen, die einen Notarzt zu dem Verletzten schickte, könnte ihm die Anklage sogar versuchten Mord vorwerfen.

Die Staatsanwaltschaft geht von einem schon länger andauernden Konflikt zwischen den Brüdern aus, weil der Angeklagte Drogen und Alkohol konsumierte und sich nicht um Haushaltsdinge in der Münchner Altstadt-Wohnung kümmerte, in der die beiden lebten.

M. hatte Schwierigkeiten in der Lehre und ist auch körperlich unterlegen

M. habe sich von seinem Bruder bevormundet gefühlt und sei eifersüchtig gewesen, weil er geglaubt habe, dass ihre Mutter diesen bevorzugen würde, so die Anklage. Auch Neid soll eine Rolle gespielt haben: Das Opfer ist ein erfolgreicher Personaltrainer und Kraftsportler, sein Bruder indes hatte Schwierigkeiten in seiner Kochlehre und ist auch körperlich unterlegen.

Nach der Tat am 19. Mai 2015 war Hakim M. gegen 2.30 Uhr aus der Wohnung geflüchtet. Er hatte seinen Bruder noch vor Schmerzen schreien gehört. Nur mit T-Shirt und Unterhosen bekleidet erschien M. in der Altstadtwache der Polizei und legte ein Geständnis ab: "Einmal wollte ich über ihm stehen. Mir war egal, ob er draufgeht oder nicht", sagte er zum diensthabenden Beamten.

Die Attacke mit einem knapp 35 Zentimeter langen Küchenmesser räumt M. auch vor Gericht ein, ein Motiv allerdings nennt er nicht mehr: "Es gab keinen Grund", behauptet der Angeklagte nun, was ihm der Vorsitzende Richter Stephan Kirchinger nicht abnimmt. "Wollten Sie ihn umbringen, ihm eine Lektion erteilen?", fragt Kirchinger. Der Angeklagte: "Nein."

M. will sich an die Tat nicht mehr erinnern können

Beharrlich bleibt er dabei, keine Erklärung für die Tat zu haben. Er wisse nur noch, dass er am Vorabend mit Freunden in einem Park war, Joints geraucht und fünf Flaschen Bier getrunken habe. Für die Zeit von 23 Uhr bis zur Tat habe er keine Erinnerung. Die setzt angeblich erst wieder ein, als er in die Küche ging und das Messer holte.

Der Richter kommt zu dem Schluss, dass sich der Angeklagte für die Tat schämt und deshalb seine Motivation verdrängt. "Ihr Problem ist, dass Sie zu intelligent sind. Dumme stören sich nicht daran, dass solche Taten sozial nicht erwünscht sind", bilanziert Kirchinger.

Schließlich müht sich Verteidigerin Heidi Pioch, mehr aus ihrem Mandanten herauszubekommen, und hat damit zumindest ein wenig Erfolg. Möglicherweise habe es ja eine Summe frustrierender Ereignisse gegeben, so Pioch: Ärger in der Berufsschule, dazu die Auseinandersetzungen mit dem Bruder. M. überlegt einen Augenblick und sagt dann: "Das hört sich alles nicht verkehrt an." Der Prozess wird fortgesetzt.

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