Die Vorwürfe sind massiv: Die drei Männer auf der Anklagebank sollen eine 15-jährige Schülerin mit Drogen gefügig gemacht und zur Prostitution gezwungen haben. Über mehrere Monate hinweg sollen sie das Mädchen in der Gegend am Hauptbahnhof an Dutzende Freier vermittelt haben, das Geld strichen sie selbst ein.
So steht es in der Anklageschrift, und deshalb rechnete jeder mit einem mehrwöchigen und langwierigen Prozess. Doch am Landgericht kam gestern alles ganz anders.
Nihad K., 29, ist der Hauptangeklagte des Trios. Der gebürtige Iraker und gelernte Schneider lernte Ende Dezember 2000 in Deggendorf die Schülerin Sonja (Schutzname) kennen, die sich in ihn verliebte und ihn jedes Wochenende in München besuchte.
Haschisch, Kokain, Heroin, Crack und Ecstasy
Hier soll er ihr gemeinsam mit seinen Freunden Dana S., 27, und Emilio B., 44, Drogen jeder Spielart verabreicht haben, von Haschisch bis Kokain, Heroin, Crack und Ecstasy. Von etwa März 2001 an sollen sie die Schülerin dann Freiern in Hotels oder Asylbewerberunterkünften zugeführt haben, die 50 bis 70 Mark zahlten.
Der Prozess war bereits im Juni vergangenen Jahres erstmals eröffnet worden, ein zweites Mal dann im November. Bei beiden Anläufen war es zu Überraschungen gekommen.
Im ersten Verfahren hatte plötzlich eine 32-jährige Altenpflegerin als Zeugin Nihad K. beschuldigt, sie vergewaltigt zu haben. Auch in ihrem Fall soll er versucht haben, sie zur Prostitution zu zwingen. Der Prozess war daraufhin ausgesetzt worden.
Beim zweiten Anlauf beantragten die Verteidiger, die beiden Opfer auf ihre Glaubwürdigkeit untersuchen zu lassen. Die heute 19-jährige Sonja treibt sich seit Jahren in der Drogenszene herum und wurde schließlich von der Polizei aufgegriffen. Derzeit verbüßt die junge Frau eine Haftstrafe wegen Drogendelikten, weil sie eine Therapie als Bewährungsauflage vorzeitig abgebrochen hat.
Nach fast zweistündigen Verhandlungen hinter verschlossenen Türen einigten sich die Prozessbeteiligten gestern auf eine Art Minimalkonsens. Die Verteidiger gaben für ihre Mandanten eine Erklärung ab, die einem Teilgeständnis gleichkommt.
Vergewaltigung gestanden
Alle drei Angeklagten räumten ein, zumindest in einem Fall die Schülerin damals zu einem Hotel gebracht zu haben, "wo sie der Prostitution nachging". Nihad K. gestand außerdem die Vergewaltigung der 32-jährigen Altenpflegerin ein. Alle anderen Punkte der Anklage wurden daraufhin fallen gelassen.
Absprachegemäß wurde Nihad K. zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Der Iraker Dana S. und der Italiener Emilio B. erhielten jeweils neun Monate Haft mit Bewährung. Ausschlaggebend war für die Kammer, dass sie mit ihrem Teilgeständnis den Opfern eine erneute Aussage vor Gericht ersparten.
Nihad K. hat bereits fast 20 Monate in Untersuchungshaft verbüßt und muss daher nicht mehr ins Gefängnis, da die noch ausstehenden zehn Monate Haft zur Bewährung ausgesetzt werden. Alle Urteile sind bereits rechtskräftig.