Prozess:IS-Sympathisant wehrt sich gegen Messer-Verbot

  • Die Stadt untersagt dem Mann, gefährliche Werkzeuge mit sich zu führen. Dagegen klagte der Münchner Salafist.
  • Der Richter findet den Bescheid absurd, aber dennoch als "Schritt in die richtige Richtung".

Von Ekkehard Müller-Jentsch

"Auf den ersten Blick steht die Verfügung der Stadt im Konflikt mit dem menschlichen Verstand." Der Vorsitzende Richter der 13. Kammer am Verwaltungsgericht München ließ am Donnerstagnachmittag keine Zweifel aufkommen, dass er es, salopp ausgedrückt, etwas schräg findet, einem angeblichen dschihadistischen Kämpfer zu verbieten, "Messer aller Art und gefährliche Werkzeuge mitzuführen oder zu transportieren".

Dennoch sieht das Gericht in dem städtischen Bescheid gegen den Mann, der bereits als Münchner Salafist und IS-Verehrer Schlagzeilen gemacht hat, einen "Schritt in die richtige Richtung".

Samil A. und seine Frau Farah H. hatten erst am Stachus und in der Fußgängerzone im Rahmen der salafistischen Aktion "Lies!" Koran-Übersetzungen verteilt. Dann hatten sich die beiden gemeinsam mit ihrem achtjährigen Sohn im September auf den Weg in die Türkei gemacht, um nach Syrien zu gelangen. Nach Einschätzung von Sicherheitsbehörden wollten sie sich dem Kampf der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) anschließen.

Über Facebook prahlte Samil A. mit Fotos, die ihn etwa mit Maschinenpistolen zeigen. Selbst seinem kleinen Sohn soll er für solch ein Foto eine Schusswaffe gegeben haben. In abgehörten Telefonaten habe er zudem seinem Onkel berichtet, schon Menschen getötet zu haben und zwar "mit allem" - offenbar also auch mit dem Messer.

Worum es im Prozess ging

Inwieweit der damals 21-jährige Deutsch-Türke bloß dschihadistische Fantasien ausgelebt und was er wirklich erlebt hat, ist bis heute unklar. Bei der Rückkehr nach München war er von einem Strafgericht aus Mangel an Beweisen letztlich nicht verurteilt worden. Das Kreisverwaltungsreferat hat ihm aber auferlegt, sich regelmäßig zu melden und zudem ein Waffenverbot verhängt. Dem fügt sich der Mann bisher.

Dass er nun zusätzlich weder Messer noch "gefährliche Werkzeuge" mit sich führen darf, zu denen etwa auch Hammer oder Schraubenzieher zählen können, ist seiner Meinung nach überzogen. "Neulich beim Umzug musste sogar ein Freund für ihn einen Hammer im Baumarkt kaufen", sagte nun sein Anwalt. Das sei Schikane und völlig unverhältnismäßig.

"Das ist schon starker Tobak", gestand ihm der Kammervorsitzende zu. Auch er habe sich im ersten Moment gefragt: "Was bringt das?" Natürlich könne man einen islamistischen Attentäter mit solch einem Bescheid nicht von einem Anschlag abhalten. Aber immerhin habe die städtische Verfügung eine "Appellwirkung". Angesichts der Gefahrenprognose durch die Polizei sei die Verfügung somit "nicht abwegig, sondern nachvollziehbar".

Das Gericht kreidet dem Kläger an, sich bis heute nicht unmissverständlich von seiner früheren Einstellung distanziert zu haben. In der mündlichen Verhandlung hätte er das tun können, sei aber nicht einmal erschienen. So stehe nach wie vor im Raum, dass er sich auf Allahs Weg sehe und dafür den Tod in Kauf nehmen würde.

Der Anwalt wies das zurück: Sein Mandant wolle nur seine Ruhe und habe Presserummel befürchtet. Als aber das Gericht unter anderem zu Protokoll gab, dass der Kläger öffentlich im Biergarten getrost zu Messer und Gabel greifen dürfe und dass die Stadt ihre Verfügung überdenken werde, sollte der Mann glaubhaft eine gewandelte Einstellung darlegen, zog der Anwalt die Klage zurück.

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