Prozess in München:Taxifahrer die Nase abgeschnitten

Taxifahrer

Ein Räuber hat vor sieben Jahren einem Taxifahrer die Nase abgeschnitten. Jetzt hat der Prozess begonnen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Immer wenn H. in den Spiegel schaut, wird er an die Tat erinnert: Vor sieben Jahren hat ein Räuber dem Taxifahrer die Nase abgeschnitten. Beim Prozess bestreitet der Angeklagte den Überfall, doch DNA-Spuren an einer Gebetskette verweisen auf ihn. Und auch eine Wunde wirft Fragen auf.

Von Christian Rost

Der Vorfall liegt sieben Jahre zurück, doch noch heute bekommt Clemens H. "Gänsehaut am ganzen Körper", wenn jemand hinten rechts in sein Taxi einsteigt. So wie am 19. Mai 2006, als sich frühmorgens am Münchner Flughafen ein Mann in den Fond des Wagens des heute 54-Jährigen setzte. Der Fahrgast ließ sich nach Neuhausen chauffieren, in die Linprunstraße, wo ausgerechnet die Münchner Staatsanwaltschaft ihren Dienstsitz hat.

Dort zog er ein Teppichmesser und setzte es H. an die Kehle. Der Taxler reagierte zunächst cool, gab dem Räuber sein ganzes Geld: 500 Euro. Der Unbekannte verschwand aber nicht, sondern fuhr nun die Klinge des Messers langsam bis zum Anschlag aus: "Was machst du jetzt?", fragte er H. maliziös, der in Panik geriet. Er biss dem Mann mit aller Kraft in die Hand, woraufhin der Täter mit dem Messer wild durch die Luft fuhr und H.s Nase abschnitt.

Der brutale Überfall wird seit Mittwoch am Landgericht München I aufgearbeitet. Auf der Anklagebank der siebten Strafkammer sitzt Ercan Ö., ein heute 35-jähriger Koch aus der Türkei. Im Taxi von Clemens H. fand die Polizei nach der Tat eine Gebetskette, die laut einem DNA-Gutachten dem Angeklagten gehört haben musste. Der Mann bestreitet nicht, die Kette besessen zu haben. Er habe schon "Millionen" davon selbst angefertigt, "verkauft, verschenkt oder verloren". Allein in der siebenmonatigen Untersuchungshaft seit seiner Festnahme habe er 40 Ketten gemacht, erzählt Ö. "Es ist ein Hobby."

Die Subha aus dem Taxi habe aber nicht er dort liegen gelassen. Am Tag des Überfalls habe er längst in einem Bus gesessen, der über Italien per Fähre nach Griechenland und weiter in die Türkei gefahren sei. Er habe seine Frau in Istanbul besucht, sagt Ö. Eine Narbe an seiner Hand, die von einem Biss stammen könnte, erklärt er mit einem Unfall mit einer zersplitterten Glasscheibe.

Im Gerichtssaal sitzen sich das Opfer und der mutmaßliche Täter gegenüber. H. erkennt eine Ähnlichkeit zwischen Ö. und dem Räuber von damals. Mehr aber nicht: "Die Größe und die Mimik stimmt, auch wenn er sich jetzt bemüht, teilnahmslos auszusehen", sagt der Zeuge. "Ich kann es nicht ausschließen, dass er es war. Aber bejahen kann ich es auch nicht."

Clemens H. kann sich an viele Details der Tat noch gut erinnern: "Ich habe ihm noch gesagt, er soll mir meine Papiere lassen." Wie die Schnitte sein Gesicht trafen, weiß er wegen seines schwereren Schocks allerdings nicht mehr. Er habe noch "ein Blitzen" in Erinnerung, und es habe gekracht, als der Räuber seinen Kopf gepackt und nach hinten gerissen habe. Monatelang konnte er seinen Nacken deswegen nicht mehr bewegen.

"Mein Leben hängt an einem seidenen Faden"

H. weiß auch noch, dass er nach der Flucht des Täters einen Sanitäter bat, seine Nasenspitze zu suchen. Sie lag noch am Tatort auf der Straße, wurde eiligst wieder angenäht und musste später bei einer kosmetischen Operation wieder entfernt werden, weil sie nicht anwuchs.

Immer wenn H. in den Spiegel schaut, wird er an die Tat erinnert. Er wirkt seelisch gebrochen: "Mein Leben hängt an einem seidenen Faden", sagt er leise. Seit der Tat hat er mehrere Traumatherapien durchlaufen. Und auch wenn es ihm schwerfällt: Er fährt wieder Taxi. Doch sobald jemand hinten rechts einsteigt, bekommt er Gänsehaut.

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