Prozess in München:Frau schubst Mann vor U-Bahn und muss vor Gericht

U-Bahn U 1, Station Westfriedhof, 2004

Der Fahrer der U-Bahn war statt der sonst üblichen 65 Kilometer in der Stunde nur mit knapp 50 Kilometern in der Stunde gefahren.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Im April 2017 hat eine Frau einen Unternehmensberater im U-Bahnhof Westfriedhof vor eine einfahrende U-Bahn geschubst.
  • Der Mann überlebte und zog sich lediglich ein paar blaue Flecken und eine Platzwunde zu.
  • Die 38-Jährige muss sich nun vor dem Landgericht München I verantworten.

Von Andreas Salch

"Irgendwie", sagt Thomas W. "hatte ich es im Gefühl, dass heute noch etwas passieren könnte." Der 47-Jährige ist U-Bahnfahrer in München. Am 26. April vergangenen Jahres fuhr er auf der Linie U 1. Auf einer der Fahrten war ihm bereits ein Mann aufgefallen, der offenbar unter dem Einfluss von Drogen stand; er hatte andere Fahrgäste belästigt und war später ausgestiegen. Aber auch eine Frau hatte Thomas W. beobachtet. Ihr Blick war ihm "seltsam" vorgekommen, so erinnert er sich.

Gegen 20.45 Uhr schubste jene Frau im U-Bahnhof Westfriedhof einen Unternehmensberater von hinten ins Gleisbett. Genau in diesem Moment kam die U 1. Thomas W. machte eine Schnellbremsung. Da er ein ungutes Gefühls gehabt hatte, war er statt der sonst üblichen 65 Kilometer in der Stunde nur mit knapp 50 Kilometern in der Stunde gefahren. Nur deshalb kam der Zug wenige Meter vor dem 59-jährigen Unternehmensberater zum Stehen. Er überlebte und zog sich lediglich ein paar blaue Flecken und eine Platzwunde zu.

Die Frau, die ihn in die Gleise stieß, muss sich seit Dienstag vor dem Landgericht München I verantworten. Es ist die 38-jährige Csilla H. Zur Tatzeit hatte sie knapp 1,8 Promille Alkohol im Blut und litt laut Ärzten an einer paranoiden Schizophrenie. Die Staatsanwaltschaft hat deshalb bei Gericht keine Anklage, sondern eine Antragsschrift eingereicht. Darin fordert sie, Csilla H. in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik unterzubringen. Seit der Tat ist die 38-Jährige bereits einstweilig im Isar-Amper-Klinikum in Taufkirchen an der Vils untergebracht. Zum Prozessauftakt gab sie über ihre Verteidigerin, Rechtsanwältin Christina Keil, eine Erklärung ab. Darin bekennt sich Csilla H. zu dem Vorwurf.

Vor dem beinahe tödlichen Schubser im U-Bahnhof Westfriedhof hatte sie zudem noch zwei andere Frauen attackiert. Gegen 19.20 Uhr hatte sie unvermittelt eine 27-jährige Innenarchitektin am Bahnsteig der U-Bahnstation Gern angegriffen. Csilla H. versuchte, sie ins Gleisbett zu ziehen. Doch die junge Frau leistete heftige Gegenwehr und schlug der Angreiferin mit ihrem Regenschirm auf den Kopf.

Als Passanten der Innenarchitektin zu Hilfe kamen, ließ die Beschuldigte von ihrem Opfer ab und lief weg. 20 Minuten nach dieser Tat stieg Csilla H. an der U-Bahnhaltestelle Rotkreuzplatz in die U 1 ein. Dort trat sie einer 70-jährigen Rentnerin, die ihr auf einer Längsbank gegenüber saß, gegen das Schienbein. Dann setzte sie sich wieder hin. Als die Rentnerin fragte, was das denn solle, habe Csilla H. nur gelacht.

Ihre Mandantin könne sich nur an den Vorfall in der Station Westfriedhof erinnern, sagte Rechtsanwältin Keil. An die beiden anderen Vorfälle habe sie keine Erinnerung mehr. An jenem 26. April 2017 habe sich ihre Mandantin durch andere Menschen grundlos "unglaublich provoziert gefühlt". Sie habe sich eingebildet, sie werde beobachtet und sei "durchgedreht". Im Klinikum Taufkirchen, so die Verteidigerin, habe sie sich mit der 38-Jährigen das Video einer Überwachungskamera angesehen, auf dem zu sehen ist, wie sie den Unternehmensberater ins Gleis schubste. Ihre Mandantin "fühlt sich scheiße, wenn sie es anschaut", sagte die Anwältin. Der Prozess wird fortgesetzt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: