Prozess in München:Auf der Flucht in die Luft gesprengt

Wolfgang M. hat sich nach 18 Überfällen auf der Flucht vor der Polizei in die Luft gesprengt. Er überlebte schwer verletzt. Nun wird dem schwer Gezeichneten der Prozess gemacht.

Christian Rost

Sein Motiv war kurios. Der Mann, der 18 Überfälle auf Tankstellen, Optikergeschäfte und eine Bank verübt hat, tat es aus Anhänglichkeit zu einem Tier. Er habe im Mai 2008 nach Krankheit, Scheidung und Jobverlust eigentlich schon mit seinem Leben abgeschlossen gehabt, schildert Wolfgang M. in einem Brief aus der Haft. Weil ihm dann aber in Italien, wo er seine letzten Wochen verbringen wollte, ein Hund am Strand zulief, habe er sich entschlossen, doch weiterzumachen.

Das nötige Geld dafür besorgte er sich auf kriminelle Weise mit Raubüberfällen in Bayern. Nach der letzten Tat am 16. August 2010 stellte ihn die Polizei - und M. sprengte sich nach der gescheiterten Flucht mit seinem Hund in einem VW-Bus nahe Augsburg in die Luft. Der Mann überlebte schwer verletzt. Von Montag an wird ihm nun am Münchner Schwurgericht der Prozess gemacht.

Wolfgang M. ist schwer gezeichnet von der Explosion. Er hatte, als sein Bus von sieben Polizisten umstellt war, eine Propangasflasche geöffnet, seinen Hund auf den Schoß genommen und ein Feuerzeug entzündet. M. hat seit der Explosion keine Nase mehr, die Ohren fehlen, seine Augen sind nur noch Sehschlitze in der Haut. Sieben Wochen lag er wegen seiner schweren Verbrennungen am ganzen Körper und im Gesicht im Koma, den Rest seines Lebens wird er auf einen Rollstuhl angewiesen sein.

Die Polizisten, die ihn nach seinem letzten Überfall auf eine Bankfiliale auf der B 300 bei Gessertshausen gestoppt hatten, wurden durch die Detonation zu Boden geschleudert. Die Staatsanwaltschaft hat den 50-jährigen M. deshalb nicht nur wegen der Überfälle angeklagt, sondern auch wegen siebenfachen Mordversuchs.

Strafverteidiger Karl-Heinz Seidl hält diesen Vorwurf für irrwitzig. Die Beamten seien - wenn überhaupt - nur leicht verletzt worden, so der Anwalt. Und sein Mandant habe die Verfolger noch gewarnt, ehe er das Gas zündete. "Ich wollte niemand anderen verletzen oder sogar töten", beteuert auch M.

Im Prozess vor der ersten Strafkammer am Landgericht München I wird er Gelegenheit haben, zu erzählen, wie es zum Absturz kam vom gut verdienenden IT-Projektleiter zum Schwerkriminellen. Er wird von seinem Schlaganfall berichten und von weiteren Thrombosen, die ihn schließlich "Hals über Kopf", wie er schreibt, ins milde Süditalien fliehen ließen. Seinen Job war er wegen seiner Krankheit ohnehin fast los, seine Ehe war in die Brüche gegangen. Das Einzige, was er in München zurückließ, war ein Berg Schulden.

Mit 5000 Euro Bargeld in der Tasche kam er auf einem Campingplatz in Kalabrien an. Er hatte sich vorgenommen, Schluss zu machen, sobald das Geld aufgebraucht war. Ehe es soweit kam, schreibt M. aus der Haft, sei ihm am Strand ein Welpe über den Weg gelaufen, der ihm nicht mehr von der Seite weichen wollte. Mit dem Hund, den er Cleo nannte, blieb er im Süden, und wenn er Geld brauchte, fuhr er mit seinem Bus nach Süddeutschland und raubte Tankstellen und Optikergeschäfte aus: In München, Augsburg, Freising, Bad Wörishofen, Rosenheim und anderen Orten bedrohte er seine Opfer mit einer Spielzeugpistole.

Danach ging es immer wieder zurück nach Italien. M. erbeutete bei den Überfällen Beträge von wenigen hundert bis deutlich mehr als 1000 Euro. Sein größter Coup war auch sein letzter: Aus einer Bank bei Günzburg nahm er 21 000 Euro mit. Die Polizei wurde auf den VW-Bus aufmerksam, weil dieser ohne Zulassung herumfuhr. Eingekeilt von Polizeifahrzeugen entzündete M. das Gas.

Die Überfälle hat der Mann gestanden. In Stadelheim wartet er auf seinen Prozess. Sein Hund, der die Explosion ebenfalls verletzt überlebte, kam bei einer Polizistin unter.

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