Prozess gestartet:Mit Waffe im Justizpalast

Josef F. drang mit einer scharfen Waffe in den Justizpalast in München ein. Er drückte zweimal ab - doch nichts passierte. Nun muss sich der Mann vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft hält den Angeklagten für gefährlich.

Von Christian Rost

Nach den tödlichen Schüssen auf einen Staatsanwalt im Dachauer Amtsgericht wurden die Kontrollen an bayerischen Justizgebäuden drastisch verschärft. Dennoch gelang es einem bewaffneten Mann am Nachmittag des 7. Januar 2013, in den Justizpalast in München einzudringen und mit einer scharfen Waffe auf eine Glasscheibe zu zielen. Josef F. drückte zweimal ab, aber es passierte nichts, weil die Pistole nicht durchgeladen war. Seit Freitag muss sich der 58-Jährige am Landgericht München I verantworten.

Staatsanwalt Peter Preuß wirft dem Angeklagten unerlaubtes Führen einer halbautomatischen Schusswaffe und versuchte Sachbeschädigung vor. Diese Delikte sind aber nicht der Grund dafür, dass Josef F. in Untersuchungshaft sitzt. Die Staatsanwaltschaft hält den Zornedinger für gefährlich für die Allgemeinheit, weshalb im Gerichtssaal der Forensiker Matthias Hollweg den Angeklagten beobachtet und letztlich entscheidet, ob der Mann ein Fall für die Psychiatrie ist.

Josef F. macht vor der 4. Strafkammer einen entspannten Eindruck. Als er in den Saal geführt wird, scherzt er mit Fotografen: "Die Bilder von mir müssen S' noch ein bisserl nachbearbeiten." Im Laufe der Verhandlung zeigt sich der korpulente und gemütlich wirkende Mann auch dem Gericht gegenüber gut aufgelegt. Der Vorsitzenden Jutta Zeilinger macht er ständig Komplimente, er sei froh, eine so nette Richterin kennenzulernen. Keine Spur also zunächst von seiner Wut auf die Justiz, die ihn zu der Tat im Januar getrieben hatte.

Als er dann aber über Stunden hinweg seine Lebensgeschichte erzählt, wird deutlich, dass ihn ein Vorfall in den Achtzigerjahren noch heute umtreibt. Josef F. war erst Leiter einer Bankfiliale, hatte eine Zusatzausbildung als Makler durchlaufen und wurde dann - was sich zu einer großen Leidenschaft entwickelte - Wirt eines Künstler-Cafés in Zorneding. Er wollte den Betrieb des "Café Sissi" eigentlich seiner damaligen Freundin überlassen und nur die Finanzierung übernehmen, wofür er sich mit knapp einer halben Million Mark verschuldete. Dann lief ihm die Freundin weg, und F. stand alleine da mit dem Laden in einem ehemaligen Postamt. Nach anfänglichen Schwierigkeiten entwickelte sich das Café prächtig, die Gäste, unter ihnen viele Schauspieler und Kabarettisten, wurden seine Freunde. Für den einfachen Mann, der auf einem Bauernhof aufgewachsen ist, ein tolles Umfeld. Das Projekt endete jedoch jäh: Nach Streitigkeiten mit seinem Vermieter erhielt F. 1988 die Zwangsräumung. "Das war schlimm, ich hatte Alpträume, schrie in der Nacht."

Die Schuld an seinem geplatzten Traum gibt F. der Justiz, respektive dem Oberlandesgericht München. Das hatte seinem Vermieter in einem Prozess um die Öffnungszeiten des Cafés recht gegeben. Danach musste F. das "Sissi" jeweils schon um 22 Uhr schließen, was die Gäste fernhielt und den Wirt ruinierte. In den Jahren danach plagte er sich mit seinen Schulden, hatte zudem das Finanzamt mit Nachforderungen im Nacken und hielt sich als Makler über Wasser. Den Verlust des Cafés verwand er nie. Zuletzt plagten ihn Depressionen, er hatte kein Geld und keinen festen Wohnsitz. Nur die von seinem Vater geerbte Walther PPK, Kaliber 7.65 Millimeter, hatte er noch, als er im Januar zunächst an Selbstmord dachte. Doch dann spazierte er zum Justizpalast: "Jetzt musst du mal einen Punkt machen", habe er sich gedacht.

Er ging am Pförtner vorbei, zog die Waffe, sagte: "Erschrecken S' nicht" und legte auf die Scheibe an. Als es nicht knallte, drückte er dem Pförtner die Pistole in die Hand, zudem eine Feuerzeugpistole und ein Messer: "Da hast du's." Jetzt, da er in der Untersuchungshaft dem Zugriff seiner Gläubiger entzogen ist, gehe es ihm "richtig gut", sagt F. und lacht. Der Prozess dauert an.

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