Prozess gegen Pharmaunternehmen:Wundertropfen gegen Rheuma

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  • Ein Münchner Pharmaunternehmen hat ein Produkt als "wahres Wundermittel" beworben.
  • Wettbewerbshüter wollen dies überzogene Werbung nun gerichtlich untersagen lassen, da sie die Wirkung der homöopathischen Arznei für nicht ausreichend belegt halten.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Schmerzende Gelenke plagen Millionen Deutsche. Wer ein wirksames Mittel dagegen hat, darf auf gute Geschäfte hoffen. Doch die "sanften Tropfen", deren "starke Wirkung" ein mittelständiges Münchner Pharmaunternehmen anpreist, sind Wettbewerbshütern ein Dorn im Auge. Sie halten das homöopathische Arzneimittel zur Behandlung von rheumatischen Schmerzen in Knochen, Knochenhaut, Gelenken, Sehnen und Muskeln keineswegs für ein "wahres Wundermittel". Vielmehr wollen sie der am Stadtrand sitzenden Firma die nach ihrer Meinung überzogene und damit wettbewerbswidrige Werbung untersagen. Es laufen bereits zwei Prozesse in zwei Instanzen.

Das Arzneimittel enthält Urushiol, gewonnen aus der Pflanze Toxicodendron quercifolium, allgemein bekannt als eichenblättriger Giftsumach. Die sehr giftige Substanz ist allerdings, wie in der Homöopathie üblich, extrem verdünnt: In diesem Fall um sechs Zehnerpotenzen. Der sogenannte Faktor "D6" enthält nach Aussagen von Fachleuten aber noch nachweisbare Spuren der Ursubstanz.

Wirksamkeit nicht belegt

Der Verband sozialer Wettbewerb klagt, weil er die Wirksamkeit für unbelegt hält. Die Firma verweist im Gegenzug auf die arzneimittelrechtliche Zulassung. "Wer die hat, darf mit der Wirksamkeit werben", sagt ihr Inhaber. In einem ersten Durchgang vor der 33. Zivilkammer am Landgericht München I konnte er sich durchsetzen. Dass die Tropfen "so wirksam wie harte Chemie" oder sogar "vergleichbar mit starken chemischen Schmerzmitteln" seien, ließ das Gericht durchgehen, solange nur die zugelassenen Anwendungsgebiete beworben würden. Dass es sich um "Wundertropfen" handele, beanstandete das Gericht ebenfalls nicht, weil diese Aussage "eindeutig als Zitat eines Anwenders kenntlich gemacht" sei. Die Wettbewerbshüter haben gegen dieses Urteil bereits Rechtsmittel beim Oberlandesgericht München eingelegt.

Und sie haben nachgelegt. Jetzt greifen sie unter anderem an, dass der Hersteller seinen Tropfen "sensationelle Erfolge" zuschreibt und dass sie zu "erstaunlichen Erfolgen" führen können - das Medikament sei in seiner Wirkung "effektiv" und entfalte seine Kraft "von innen".

Auch ein "kann" macht nicht jede Werbeaussage zulässig

Das will das Gericht diesmal nicht in allen Punkten durchwinken. Auch ein einschränkendes "kann" mache nicht jede Werbeaussage zulässig, sagte der Vorsitzende Richter. Und von einer "hochwirksamen Konzentration" zu sprechen, erfülle bei dieser geringen Wirkstoffkonzentration nicht mehr die strengen Anforderungen der Rechtsprechung, erklärte er.

Nach Ansicht der Wettbewerbshüter sind aber all diese Aussagen viel zu "übertrieben und vollmundig". Der Verbraucher glaube womöglich, dass dieses Mittel tatsächlich Schmerzen bekämpfen könne: Solch ein Wirkversprechen sei "zu grob". Der Firmenchef konterte, Tierversuche hätten eine mit Diclofenac vergleichbare Wirkung gezeigt. Das Gericht wird das Urteil im September verkünden.

© SZ vom 27.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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