Prozess gegen Nachtclub-Betreiber:Spontanes Bündnis im Gerichtssaal

Afrikaner klagt gegen Nachtclubs

Hamado Dipama beim Prozessauftakt im Gerichtssaal.

(Foto: dpa)

Hamado Dipama hat Münchner Club-Betreiber verklagt, weil er an der Tür abgewiesen wurde. Der Vorwurf: Alltagsrassismus. Nun will einer der Beklagten mit ihm eine Kampagne starten. Dipamas Anwältin spricht vom schönsten Angebot, "das wir bisher bekommen haben".

Von Bernd Kastner

Es ist ein politischer Prozess der besonderen Art. Angeklagt ist der Alltagsrassismus, konkret: Diskriminierung von Menschen wegen ihres Aussehens oder ihrer Hautfarbe. Nun kann man "den Rassismus" natürlich nicht auf die Anklagebank setzen, zumal in einem Zivilverfahren, in dem es vor dem Richter nur Kläger und Beklagte gibt. Angesichts dieser Konstellation ist es ein bemerkenswerter Erfolg, der sich im fünften Verfahren einer Prozessreihe vor dem Amtsgericht als Vergleich abzeichnet: Ein Münchner Nachtclub, dessen Türstehern Diskriminierung vorgeworfen wurde, will nun mit einem Mitglied des Ausländerbeirats gemeinsam Aktionen gegen Rassismus planen. Aus Gegnern werden Verbündete.

Hamado Dipama, 40, gebürtig in Burkina Faso (Westafrika), hat sechs Clubs und Discos verklagt, weil sie ihn und andere Migranten abgewiesen haben. Das, so berichtet er, sei geschehen an zwei Abenden im April 2013, als er mit einer Gruppe von Freunden 25 Clubs und Bars testete. Bei 20 sei er abgewiesen worden mit Worten wie: Geht nicht; geschlossene Gesellschaft; nur mit Reservierung. Die Deutschen in der Gruppe aber seien reingekommen.

Im jüngsten Prozess sitzen die beiden Betreiber des Titty Twister, einer kleinen Rock-Bar in der Kultfabrik hinterm Ostbahnhof, Dipama gegenüber. Er verlangt ein Schmerzensgeld von 1100 Euro und klagt auf Unterlassung. "Das geht nicht", habe ein Türsteher zu ihm und seinem afrikanischen Freund an jenem Abend gesagt, berichtet Dipama. Auf die Frage nach dem Grund habe der Mann geantwortet: "Nur für Stammgäste." Weil aber wenige Minuten später die Deutschen aus der Testgruppe, auch keine Stammgäste, ohne Probleme reingekommen seien, folgert Dipama, dass die Afrikaner aus rassistischen Gründen abgewiesen worden seien.

Es ist eine Erfahrung, das wird bei der Prozessreihe deutlich, die offenbar viele Migranten in München machen, egal ob Türken oder Afrikaner: Offene oder versteckte Nadelstiche im Alltag. Das Scheitern an Club-Türen gehört ebenso dazu wie die häufigen Polizeikontrollen im Hauptbahnhof. Alles Zufall? Dipama stützt seine Klagen auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, erst eines der Verfahren endete bisher mit einem Vergleich: Der Club hat sich selbst verpflichtet, künftig sensibel zu sein. Urteile stehen noch aus.

Die beiden Chefs des Titty Twister wirken empört nach dem Motto: Rassismus - doch nicht bei uns. Zunächst gehen sie und ihre Anwälte voll auf Konfrontation, wollen die Glaubwürdigkeit Dipamas erschüttern und stellen Fragen, die nicht wirklich mit dem Problem zu tun haben: Was er von Beruf sei, wie viel Geld er dabei gehabt habe in jener Nacht, und: "Wo gehen Sie eigentlich sonst feiern?"

Das gipfelt in der Behauptung: Dipama und Freunde hätten an jenem Abend gar nicht versucht, reinzukommen. Sprich: Alles erfunden. Der Club stützt den Vorwurf auf eine Aussage der Türsteher, wobei am Ende nicht klar ist, ob der Club-Chef nicht zwei Abende miteinander verwechselt. Jetzt ist Dipama pikiert: Natürlich sei er an der Tür gestanden, warum sonst diese Aktion. "Glauben Sie, dass ich nur Stress suche?"

"Nur für Stammgäste" - diese Formulierung gebe es in seinem Club gar nicht, beteuert einer der beiden Betreiber, und erzählt, dass er selbst als Deutscher auch schon an Nachtclub-Türen gescheitert sei. Dann versucht er sich mit seiner Einlasspolitik zu verteidigen: Mitglieder von Motorrad-Rockerclubs dürften ebenso wenig rein wie Personen aus der rechten Szene, soll heißen: alles politisch korrekt. Beide Seiten wissen, dass ihnen die Beweise schwer fallen: Wie soll Dipama den Dialog an der Tür belegen und, vor allem, die angeblich rassistische Motivation? Umgekehrt, woher wollen die Club-Chefs wissen, was ihr Türsteher in jener Nacht zu den Afrikanern gesagt hat?

Doch dann, fast unvermittelt, nähern sich beide Seiten an. Ob man sich nicht zukunftsorientiert einigen könne, fragt der Club-Anwalt. Dipama schaut skeptisch, er will nicht wieder einen nichtssagenden Vergleich. Die Club-Leute werden konkreter: Man könnte künftig gemeinsam gegen Rassismus arbeiten, könnte Plakate aufhängen, Aktionen organisieren, auch direkt im Titty Twister.

Dipama denkt darüber nach, und eine Viertelstunde später sagt seine Anwältin: "Das ist ein schönes Angebot, das schönste, das wir bisher bekommen haben." Demnächst wollen sich Kläger und Beklagte zusammensetzen und konkret planen, solange ruht das Verfahren. Engagement gegen Rassismus sei auch ihm ein Anliegen, sagt einer der beiden Club-Chefs, jetzt hörbar erleichtert. "Wir brauchen nicht darüber zu diskutieren, dass es Diskriminierung gibt. Leider." Er meint natürlich nicht seinen Club, sondern die gesamte Gesellschaft.

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