Prozess:Frau schildert Vergewaltigung an der Isar: "Lass mich in Ruhe, du Sack, du Penner"

Emrah T. soll zwei Joggerinnen attackiert und vergewaltigt haben.

Der unter anderem wegen versuchten Mordes Angeklagte sitzt vor Prozessbeginn im Landgericht im Verhandlungssaal.

(Foto: dpa)
  • Emrah T. steht vor dem Landgericht München - er soll zwei Frau gewürgt und vergewaltigt haben.
  • Eines der beiden Opfer sagt jetzt vor Gericht aus. Klar, nüchtern und emotionslos schildert die Frau ein albtraumhaftes Szenario.
  • Der Staatsanwalt wirft dem Angeklagten vor, den Tod der Frau billigend in Kauf genommen zu haben.

Von Susi Wimmer

Das Leben von Beate Braun (Name geändert), es hing für einige Zeit am seidenen Faden. Mehr als 20 Minuten lang muss die 45-Jährige an jenem Winterabend bewusstlos in einem Gestrüpp nahe der Emmeramsmühle gelegen haben, halb nackt, mit dem Gesicht im Dreck, bei Schneeregen und Temperaturen um den Gefrierpunkt. Dass ihr Körper die Würgeattacke, die Bewusstlosigkeit und die Kälte trotzdem überwinden konnte, mag vielleicht der guten Konstitution der abgehärteten Sportlerin zu verdanken sein. Jetzt sitzt die Frau vor dem Landgericht München I, um als Zeugin gegen den Mann auszusagen, der die Joggerin im Dezember 2016 in Oberföhring attackiert und vergewaltigt haben soll. Keine zwei Meter sitzt der Angeklagte Emrah T. dabei von ihr entfernt, starrt die Frau mit den langen blonden Locken an - und grinst.

"Gut" gehe es ihr heute, antwortet die zierliche Sekretärin knapp auf die Frage des vorsitzenden Richters Michael Höhne. Sie habe das Geschehen verdaut, glaubt sie, und dann schildert sie ein albtraumhaftes Szenario sehr klar, nüchtern und emotionslos. Beate B. ist durchtrainierte Sportlerin, surft auch bei Kälte im Eisbach und dreht mehrmals die Woche bei Wind und Wetter ihre Joggingrunden am Isarkanal in der Emmeramsmühle. Auch am Sonntag, 18. Dezember 2016, lief sie gegen 19.25 Uhr los. Obwohl es stockdunkel war und schneite, joggte sie wie immer ohne Licht oder Handy. "Ab dem Wehr", sagt sie, bemerkte sie einen anderen Jogger hinter sich. Sie drehte sich um und sah einen Mann mit Jogginghose und Pudelmütze.

Da sie ehrgeizig und eine schnelle Läuferin sei, dachte sie zunächst, der könne nicht lange mithalten. Angst habe ihr die Situation nicht gemacht. Sie drehte sich erneut kurz um, diesmal war der Mann keine fünf Meter von ihr entfernt. Sie habe ihm Platz zum Überholen gemacht, sagt sie. Stattdessen riss der Fremde plötzlich an ihr. Sie schrie, "lass mich in Ruhe, du Sack, du Penner". Er habe sie wohl wortlos mit dem Arm gewürgt, dann mit etwas anderem, "vermutlich meinem Stirnband". Sie habe ihn getreten, geschlagen, versucht, sich aus dem Griff zu befreien. Gleichzeitig sei es so eine Nahtoderfahrung gewesen, "dieses Gefühl: Jetzt ersticke ich". Sie schätzt, dass es "maximal eine Minute" dauerte, bis sie ohnmächtig wurde.

Der Täter muss Beate B. mehrere Meter ins uneinsehbare Gebüsch geschleift oder getragen haben. Woher ihre massiven Gesichtsverletzungen stammen, ist noch unklar. Staatsanwalt Andreas Bayer wirft dem Angeklagten vor, dass er die Bewusstlose noch mindestens 30 Sekunden lang weitergedrosselt haben muss und ihren Tod billigend in Kauf nahm, ehe er sie vergewaltigte. Deshalb sieht Bayer die Mordmerkmale der Heimtücke, der Befriedigung des Geschlechtstriebs sowie der Verdeckung einer Straftat als gegeben an.

Als Beate B. auf dem Bauch liegend zu sich kam, dachte sie zunächst, sie sei zu Hause im Bett und müsse nun aufstehen. Erst dann realisierte sie wo sie war. Ihr Mund sei voll Dreck gewesen und sie habe überlegt, ob sie zum Austreten im Gebüsch war oder gestürzt sei. Sie bemerkte ihre Hose in den Kniekehlen, sie zog sie hoch und wollte weiterjoggen. "Aber ich war irgendwie derangiert und alles fühlte sich schwammig an."

Kellner und ein Gast des Wirtshauses Emmeramsmühle dachten zunächst, die Frau sei mit dem Fahrrad gestürzt, als Beate B. gegen 20.20 Uhr den Gastraum betrat. Das Gesicht verschwollen und blutverkrustet, die Kleidung verdreckt. Sie habe unterkühlt gewirkt, bläulich im Gesicht und irgendwie apathisch. "Ich glaube, ich bin überfallen worden", sagte sie.

Das Gesicht des Täters hat Beate B. in jener Nacht nicht gesehen. Sie erkennt auch den Mann auf der Anklagebank nicht wieder. Der Täter sei "vom Gefühl her Osteuropäer gewesen" sagt sie. Interessanterweise hat Emrah T. tatsächlich sehr markante Gesichtszüge. Heute, sagt die Münchnerin, jogge sie nach wie vor alleine, auch im Dunkeln. "Ich schau, was vor und hinter mir ist, um mich besser wehren zu können."

An einem der nächsten Prozesstage wird vermutlich die Videovernehmung einer damals 29-jährigen Frau gezeigt werden, die Emrah T. im November 2015 auf ähnliche Art und Weise gewürgt und vergewaltigt haben soll. Ihre Anwältin, Manuela Denneborg, hofft, dass der traumatisierten Frau ein Aufeinandertreffen mit Emrah T. erspart bleibt.

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