Prozess:Das teure Leben des Mordopfers

Elvira S. verjubelte das Vermögen ihres gestorbenen Mannes. Das Gericht muss klären, ob ihr Bruder sie aus Neid tötete

Von Susi Wimmer

Neid, Missgunst - waren das die Gründe, warum Robert B. vor gut einem Jahr ausrastete, seiner vom Luxus verwöhnten Schwester die Kordel eines Designer-Schuhsacks um den Hals legte und zuzog? Am zweiten Verhandlungstag zum Mord an der damals 38-jährigen Elvira S. in ihrer Wohnung an der Thalkirchner Straße schilderten Beamte der Kriminalpolizei ihre Ermittlungsarbeit, wie sie binnen weniger Tage den Bruder als Tatverdächtigen ausmachen konnten - und auch wie Elvira S. das Vermögen ihres verstorbenen Mannes verjubelt hatte.

Die Geschwister wuchsen in ärmlichen Verhältnissen in Ungarn auf. Sie wurden von der Mutter in ein Kinderheim abgeschoben, vom Vater missbraucht, erzählte Robert B. vor Gericht. Seine Schwester Elvira, die er als herrisch, aggressiv und launisch beschreibt, schaffte offenbar den Absprung aus dem Elend. Wie sie später ihren Bekannten erzählte, habe sie den Patent-Millionär Horst S. in Salzburg kennengelernt. Sie habe in einem Café gesessen, er sei durch die Tür gekommen, und schon sei es um sie geschehen gewesen. Nach Informationen der SZ soll Elivra S. allerdings auch als Prostituierte gearbeitet haben.

Das Paar heiratete, und als Horst S. im Februar 2014 starb, hinterließ er seiner Frau ein beträchtliches Vermögen und dazu laufende Einkünfte aus erfolgreichen Patenten. Horst S. hatte beispielsweise die Pfandschlösser an Einkaufswägen erfunden. Im Zeugenstand erzählte der Vize-Chef der Mordkommission, dass Elvira S. einen Tag vor ihrem Tod einen Termin bei ihrem Bankberater gehabt habe, um "die Ausgaben den Einnahmen anzupassen". "Das heißt, sie hat zu viel ausgegeben?", fragt der Vorsitzende Richter Michael Höhne. "Ja", kommt es sofort zurück. Elvira S. habe nicht immer auf ihre Berater gehört.

So überwies sie erst am 29. Januar sowie am 1. Februar je 50 000 Euro an die Sekte Scientology und am 1. Februar 140 000 Euro an eine Detektei. Die hatte sie beauftragt, um die erste Frau ihres verstorbenen Mannes überwachen zu lassen. Großzügigerweise hatte Horst S. dieser eine monatliche Unterhaltszahlung von 15 000 Euro im Monat zugestanden. Und zwar so lange, bis seine Ex einen neuen Partner habe. Die Detektei soll nach SZ-Informationen ein Foto geliefert haben, auf dem die Ex untergehakt mit einem anderen Mann zu sehen ist.

Am 3. Februar 2016 fand man Elvira S. in ihrer Luxus-Wohnung an der Thalkirchner Straße mit einer Kordel um den Hals, die so fest zugezogen war, dass sie sich ins Gewebe eingedrückt hatte. Die Mordkommission vernahm zunächst den Hausversorger der Nobelanlage, "er selbst nannte sich Concierge", sagte der Ermittler. Er hatte die Wohnung geöffnet, zumal Elvira S. auf das Klingeln nicht reagiert habe. Möbelpacker hätten vor der Tür gewartet, weil die Frau gerade dabei war, in die Müllerstraße umzuziehen. Die Tatzeit konnte die Mordkommission rasch eingrenzen: Am 2. Februar um 11.54 Uhr hatte die 38-Jährige den Concierge noch gebeten, ein Fax an ihre Bank zu schicken, das die Transaktion mit der Detektei betraf. Und für 13 Uhr hatte die ansonsten pünktliche Frau einen Termin im Maklerbüro arrangiert, war aber dort nicht erschienen. Das Fax an die Detektei fand die Polizei später am Tatort. Es könnte der Auslöser dafür gewesen sein, dass Robert B. beim Anblick der Summe explodiert ist.

Die Ermittler starteten eine Verdachtsabfrage über die Taxizentrale und stießen auf einen Fahrer, der zwei Tage hintereinander das Anwesen angefahren hatte. Der Taxler erzählte, er habe einen Mann und eine Frau ins Bauhaus gefahren, dort hätten sie Umzugskartons gekauft, die er in seinem großräumigen Taxi transportierte. Die Frau habe den Mann als ihren Bruder vorgestellt, der nur ungarisch spreche. Die Ermittler sichteten Videos vom Baumarkt-Gelände, befragten die Kassiererin, die sich an "den netten Mann" erinnerte, und nur zwei Tage nach Auffinden der Leiche war man sich sicher, dass der Bruder Robert B. als Tatverdächtiger in Betracht kommt. Er wurde am 5. Februar in Ungarn festgenommen. Der Prozess wird am kommenden Dienstag fortgesetzt.

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