Prozess:Bratschisten streiten vor Gericht um wertvolle Viola

Bratschist klagt wegen angeblich falscher Viola

Das Instrument klingt toll, aber darf es so teuer sein? Diese Frage muss das Gericht klären.

(Foto: Tobias Hase/dpa)
  • Ein Berliner Musiker hat sich für 60 000 Euro eine Viola mit der Inschrift eines berühmten italienischen Geigenbauers gekauft.
  • Eineinhalb Jahre später stellt er fest, dass die Bratsche womöglich gar nicht von jenem Meister und nicht einmal aus Italien stammt.
  • Das Oberlandesgericht München soll nun klären, wie viel das Instrument tatsächlich wert ist.

Von Karsten Fehr

Es ist nicht immer das drin, was draufsteht. Was so mancher Kunde nach einem Fehleinkauf im Supermarkt beklagt, ist just einem Bratschisten aus Berlin zum Verhängnis geworden: Er hatte sich für 60 000 Euro eine Viola mit der Inschrift eines berühmten italienischen Geigenbauers gekauft - und erst eineinhalb Jahre später festgestellt, dass die Bratsche womöglich gar nicht von jenem Meister und nicht einmal aus Italien stammt. Nachdem er beim Landgericht Traunstein erfolglos auf Preisminderung geklagt hatte, beschäftigte sich nun das Oberlandesgericht München mit dem Fall. Die Richter dort sehen die Sache womöglich anders.

"Luigi Mingazzi 1923 Ravenna" - so lautet die Inschrift auf jener Viola. Der Berliner Bratschist hatte sie im September 2013 von einem Kollegen aus München erworben. Zum Preis von 60 000 Euro. "Ich bin davon ausgegangen, dass die Bratsche von Mingazzi ist", sagt der Musiker heute. Doch als er das Instrument im April 2015 einem Geigenbauer übergab, zeigte sich, dass dies womöglich gar nicht der Fall ist. Das Privatgutachten, das der Musiker daraufhin in Auftrag gab, kam zu dem Ergebnis, dass die Bratsche nicht aus Italien stammt, sondern aus Markneukirchen in Sachsen. Noch bitterer: Sie sei maximal 10 000 Euro wert.

Darf das Instrument so teuer sein?

40 000 Euro will der Käufer nun von seinem Münchner Musikerkollegen zurückhaben. Doch für diesen, das ließ sein Anwalt in der Verhandlung am Mittwoch verlauten, komme ein Preisnachlass nicht in Betracht. Der Beklagte sei davon überzeugt, dass die Bratsche ihre 60 000 Euro wert sei. Ein Gutachten aus dem Jahr 1988 habe bestätigt, dass die Bratsche von Mingazzi stamme. Der Beklagte sei bereit, die Viola zurückzunehmen und dem Käufer die 60 000 Euro zu erstatten. Doch der will die Bratsche ob ihres tollen Klangs behalten. Für weniger Geld. "Der Kläger will schlicht ein Schnäppchen machen", vermutet der Anwalt des Verkäufers.

Die Münchner Richter sehen das anders: Wenn jemand für eine Bratsche 60 000 Euro zahle, sei klar: "Ich kaufe hier eine Mingazzi." Um den Rechtsstreit zu lösen, komme es letztlich darauf an, was die Bratsche wert sei. Ein Sachverständiger soll diese Frage nun klären, ehe es am 26. Oktober zur Beweisaufnahme kommt.

Das Landgericht in Traunstein hatte die Klage des Käufers im April dieses Jahres zurückgewiesen. Die Begründung: Die beiden Parteien hätten weder ausdrücklich noch konkludent vereinbart, dass die Bratsche tatsächlich von dem besagten Geigenbauer aus Italien stamme. Die Formulierung im Kaufvertrag, dass die Viola die Inschrift "Luigi Mingazzi 1923 Ravenna" trage, sei lediglich eine neutrale Beschreibung des Kaufgegenstandes und kein Hinweis darauf, dass es sich um eine echte Bratsche Mingazzis handelt. Davon abgesehen sei für den Wert eines Instruments nicht in erster Linie sein Name, sondern sein Klang entscheidend.

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