Mordprozess:Bequem, egozentrisch, tatverdächtig

Mordprozess: Im Kapuzinerhölzl wurde die Leiche des Opfers gefunden.

Im Kapuzinerhölzl wurde die Leiche des Opfers gefunden.

(Foto: Stephan Rumpf)

Fast wäre der Fall als "Mord ohne Leiche" verhandelt worden, dann wurden im Mai Knochenteile im Kapuzinerhölzl gefunden. In einem Indizienprozess wollen die Ankläger Bülent A. nun nachweisen, dass er die Mutter seiner beiden kleinen Kinder umgebracht hat.

Von Christian Rost

Bülent A. nimmt den Vorwurf der Staatsanwältin gelassen zur Kenntnis. Der 44-Jährige soll seine Lebensgefährtin Daniela K. am 12. März 2013 umgebracht haben, weil er ihre endgültige Trennungsabsicht nicht akzeptiert habe, so Anklägerin Nicole Selzam am Mittwoch vor dem Münchner Schwurgericht. Selzam zeichnete das Bild eines bequemen, egozentrischen Mannes, der die Mutter seiner beiden kleinen Kinder "möglicherweise durch Erwürgen oder Erdrosseln" getötet habe. Als Strafe dafür, dass sie ihn aus ihrer Pasinger Wohnung werfen wollte und bereits einen neuen Partner gefunden hatte.

Dass die Staatsanwaltschaft nicht genau weiß, wie die 36-Jährige überhaupt ums Leben kam, verdeutlicht: Die Anklage gegen A. ist relativ dürftig. Es fehlen trotz monatelanger, intensiver Ermittlungen harte Beweise gegen den wegen Mordes angeklagten Mann, der sich wegen einer Verurteilung noch keine Sorgen zu machen scheint. Die Staatsanwältin muss sich also auf eine Fülle von Indizien stützen, um letztlich in einer schlüssigen Kette nachweisen zu können, dass außer A. kein anderer Täter infrage kommt in diesem Fall, der bereits vor einigen Monaten als "Mord ohne Leiche" vor Gericht verhandelt werden sollte. Damals gab es keine einzige Spur zu der Frau.

Wie die Leiche entdeckt wurde

Nach ihrem Verschwinden waren weder ihre Bankkarte noch ihr Handy benutzt worden. Als Anfang Mai durch einen anonymen Hinweis im Dickicht des Kapuzinerhölzls dann überraschend doch noch die sterblichen Überreste des Opfers halb verscharrt in einer Mulde unter einem umgestürzten Baum entdeckt wurden, musste der Prozess verschoben werden. Das Schwurgericht wies die Polizei an, angesichts des Leichenfundes noch weiter zu ermitteln. Doch auch dabei kam offenbar nicht viel heraus, was Bülent A. eindeutig belasten würde.

Der Mann mit dem zu einem Zopf zusammengebundenen grauen Haar wollte sich am ersten Prozesstag weder zum Mordvorwurf noch zu seiner Vita äußern. Der Vorsitzende Richter Michael Höhne begann deshalb gleich mit einem Zeugen. Ein Beamter der Mordkommission skizzierte die schwierigen Ermittlungen, nachdem sechs Tage nach dem Verschwinden von Daniela K. deren neuer Freund und eine gute Bekannte Vermisstenanzeige erstattet hatten.

Verschiedene Versionen für ihr Verschwinden

Bülent A. machte sich keine Sorgen um seine langjährige Lebensgefährtin, mit der er bereits Ende der 1990er Jahre eine Affäre hatte, als er noch in erster Ehe verheiratet war. Wenn er nach dem Verbleib von Daniela K. gefragt worden sei in seinem Bekanntenkreis, so berichtete der Kriminaler, habe der arbeitslose Elektriker verschiedene Versionen erzählt.

Sie sei bei einer Freundin, sei bei einem anderen Mann, sei bei neuen Bekannten, sei entführt worden oder nach Italien gegangen. Sie habe ihre Koffer und neuere Kleidungsstücke mitgenommen, soll A. gesagt haben. Eine Freundin von Daniela K. hielt jede Version für ausgeschlossen: Ohne ihre Kinder wäre sie nirgendwohin gegangen, sagte die Zeugin bei der Polizei aus.

Davon gingen auch die Mordermittler aus, die von Nachbarn des Opfers erfahren hatten, dass in der mutmaßlichen Tatnacht aus der Wohnung der Frau zwei Mal Hilferufe und ein "Trampeln" zu hören waren. Dann sei es plötzlich still gewesen, sagte ein Nachbar, der sich zunächst nichts weiter dabei dachte.

Wie die Tat abgelaufen sein soll

Für die Staatsanwaltschaft steht fest, dass Bülent A. an jenem Tag, als die Kinder schon im Bett waren, im Streit über Daniela K. hergefallen war und sie "zum Beispiel mit dem Stromkabel eines Haarglätters" erdrosselte. Sie habe ihm zuvor eine Frist zum Auszug aus der Wohnung gesetzt. Danach soll A. die tote Frau aus der Wohnung, in der sich später weder Blut noch Kampfspuren fanden, fortgeschafft haben. Gesehen hat ihn dabei niemand.

Was die Ermittlungen ergaben

Mehr als ein Jahr später entdeckte ein bis heute Unbekannter Leichenteile im Kapuzinerhölzl und gab der Staatsanwaltschaft einen maschinengeschriebenen Hinweis auf den Fundort. Tatsächlich lag dort ein Skelett. Nach dem anonymen Hinweisgeber suchte die Polizei in der Folgezeit fieberhaft, auch um abzuklären, ob diese Person etwas mit dem Tod von Daniela K. zu tun haben könnte.

Daten von 300 Handynutzern wurden überprüft, die sich sowohl am Kapuzinerhölzl als auch in der Nähe des Briefkastens der Justiz aufgehalten hatten, wo der Brief eingeworfen worden war. Es wurden auch zahlreiche Spaziergänger in dem Waldstück befragt und Fingerabdrücke auf dem getippten Brief untersucht. Nichts kam dabei heraus, lediglich einen Hundebesitzer machte die Polizei ausfindig: Sein Tier hatte sich vor Monaten an genau jener Stelle gewälzt, wo die Leiche lag. Der Halter wunderte sich danach noch über den abscheulichen Geruch am Fell seines Hundes.

Bülent A. hörte sich das alles gelassen an. Es bleibt aber abzuwarten, was im Laufe des Prozesses, der bis April 2015 angesetzt ist, noch zur Sprache kommt.

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