Prozess:"Ayurveda-Arzt" bestreitet Vergewaltigungen

  • Ein Ayurveda-Heiler aus Bayern bestreitet vor Gericht, Patientinnen sexuell missbraucht zu haben.
  • Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann aus Krailling bei Starnberg vor, sich im Februar 2017 an vier Frauen vergangen zu haben.

Von Andreas Salch, Starnberg

Nach 13 Jahren Studienzeit in Indien durfte sich Raghar S. (Name geändert) "Ayurveda Doktor" nennen. Auf diesen Titel legt der 55-Jährige, der Ende der Neunzigerjahre nach Deutschland kam, großen Wert. Das hat ihm allerdings auch schon jede Menge Ärger mit der deutschen Justiz eingebracht. Denn auch im Landkreis Starnberg, wo Raghar S. seit vielen Jahren lebt und praktiziert, gab er sich stets als Doktor aus. Den Zusatz Ayurveda hatte er weggelassen.

Deshalb verurteilte das Landgericht München II ihn vor knapp vier Jahren unter anderem wegen Titelmissbrauchs zu einer Geldstrafe in Höhe von 10 000 Euro. Seit Dienstag steht Raghar S. wieder vor dem Landgericht München II. Auch diesmal geht es wieder um Titelmissbrauch. Doch nicht nur. Im Februar vergangenen Jahres soll es in der Praxis des "Ayurveda Doktors " zu sexuellen Übergriffen an vier Frauen gekommen sein. In zwei Fällen geht die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage sogar von Vergewaltigung aus.

Seit 16 Jahren hat Raghar S. eine Praxis für "ayurvedische Behandlung"

Zum Auftakt des Prozesses vor der 4. Strafkammer sagte der 55-Jährige: "Ich weiß nicht, was ich falsch gemacht habe." Ans Licht gelangten die mutmaßlichen Übergriffe, weil eine der vier Frauen zur Polizei gegangen war. Sie tritt in dem Prozess als Nebenklägerin auf. Als Fahnder der Kriminalpolizei die Praxis des "Ayurveda Doktors" durchsuchten, stießen sie in Karteien auf die Namen weiterer Frauen und befragten sie. Drei von ihnen gaben daraufhin ebenfalls an, Opfer eines sexuellen Übergriffs durch Raghar S. geworden zu sein. Seit seiner Festnahme am 13. März vergangenen Jahres sitzt der 55-Jährige in Untersuchungshaft.

Als Richterin Regina Holstein am Beginn der Verhandlung Raghar S. nach seinem Beruf fragt, antwortet er selbstbewusst: "Arzt". Zu den Vorwürfen aus der Anklage lässt er seine Verteidigerin, Rechtsanwältin Susanne Hartlage, eine Erklärung abgeben. Seit 16 Jahren hat Raghar S. eine Praxis für "ayurvedische Behandlung". Mit seinen Therapien, so erläutert die Anwältin, habe ihr Mandant "gute Erfolge erzielt". Die Therapien seien nie "sexuell motiviert" gewesen. Bei den vier Frauen, bei denen es zu sexuellen Übergriffen gekommen sein soll, habe der Angeklagte sogenannte "Marma Massagen" angewendet. Durch das Massieren bestimmter "Marma Punkte" am Körper soll angeblich die Lebensenergie, das "Prana" eines Menschen, zum Fließen gebracht werden.

"Einige Ärzte" seien neidisch auf ihn

Die Staatsanwaltschaft wirft Raghar S. jedoch vor, seine Patientinnen auch im Genitalbereich berührt zu haben. Auf die Frage von Richterin Holstein, ob das zutreffe, versichert S., dass er die Frauen zuvor "um Erlaubnis gefragt" habe. Eine Patientin habe zugestimmt. Sie war angeblich an Krebs im Frühstadium erkrankt. Dadurch, dass er ihre "Marma Punkte" im Genitalbereich "behandelt" habe, sei die Frau geheilt worden, erklärt der 55-Jährige stolz. Bei der Polizei hatte Raghar S. dagegen noch bestritten, diese Frau im Genitalbereich berührt zu haben.

Wie er die anderen drei Frauen behandelt habe, daran kann sich der 55-Jährige angeblich nicht mehr erinnern. Doch ist er sich sicher, keine von ihnen "aus sexueller Motivation" angefasst zu haben. Ob er jemals die Hände von Frauen gegen sein erigiertes Glied gedrückt habe, fragt die Vorsitzende. "Einige Frauen mögen das", erwidert Raghar S. Ob auch eines der vier mutmaßlichen Opfer dies wollte, hakt Richterin Holstein nach. "Vielleicht", antwortet Raghar S. und korrigiert sich schnell, um zu sagen: "Nein."

Als der Vertreter der Staatsanwaltschaft dem 55-Jährigen vorhält, dass 2009 schon einmal gegen ihn ermittelt worden sei, weil er Frauen in ihrem Intimbereich berührt haben soll, reagiert er beleidigt und sieht sich als Opfer einer Intrige. Statt auf die Frage des Staatsanwalts zu antworten, behauptet Raghar S., er sei fähig "alle Arten von Krankheiten" zu heilen. "Einige Ärzte" seien neidisch auf ihn. Er wisse, dass die "Medizin-Mafia" Heiler nicht möge. Außerdem habe er nie den Anschein erwecken wollen, dass er einen Doktor mit einem Abschluss an einer deutschen Universität habe. Selbst auf seinem Parkplatzschild stehe "Dr. S." hält Richterin Holstein Raghar S. vor, worauf der 55-Jährige entgegnet: "In Indien ist das ganz normal." Der Prozess dauert an.

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