Prozess:Auf Herz und Niere

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Metzger im Schlachthof lassen prüfen, ob der Freistaat sie um 800 000 Euro geprellt hat. Die Klage ist wohl vergeblich

Von Stephan Handel

"Wo sind denn die Metzger?", fragt der Vorsitzende Richter beim Reinkommen, aber die Metzger werden dann doch nicht gebraucht - obwohl es um sie geht, beziehungsweise um ihr Geld: Nämlich darum, ob der Freistaat Bayern haften muss, wenn er zunächst eine Subvention zusagt, sie aber später ablehnt.

Im Jahr 2007 übergab die Stadt München den nicht mehr sehr ansehnlichen Fleischmarkt im Schlachthof an die Betreiber, zwölf eingesessene Metzger-Betriebe. Diese gründeten eine GmbH, deren erste Aufgabe es sein sollte, die maroden Immobilien zu sanieren. Zu diesem Zweck besprachen sich die Metzger mit den zuständigen Beamten im Landesamt für Landwirtschaft (LfL), das dem gleichnamigen Ministerium zugeordnet ist: Ob denn mit Subventionen zu rechnen sei? Natürlich, meinten die Beamten - zwar entspreche die Unternehmestruktur nicht ganz den Förderrichtlinien, aber über eine Einzelfallentscheidung sollte das hinzubekommen sein. Vier Millionen Euro waren für die Sanierung veranschlagt, der Zuschuss könnte 20 Prozent betragen - mit 800 000 Euro rechnete die GmbH in ihrer Kalkulation.

Zwei Jahre später gab es ein böses Erwachen: Das Finanzministerium hatte auch noch mal geprüft und war zu dem Ergebnis gekommen, dass die GmbH keinen Antrag stellen dürfe. Denn gefördert werden sollen nur Lebensmittelerzeuger - die GmbH aber erzeugt nichts, auch wenn alle ihre Gesellschafter das durchaus tun.

Die schöne Kalkulation also war nichts mehr wert, die fehlenden 800 000 Euro mussten mit weiteren Krediten finanziert werden. Das kann nicht rechtens sein, fanden die Metzger: Das LfL hätte ihnen sagen müssen, dass es ein Risiko gebe, es hätte sagen müssen, dass die gesamte Unternehmung hätte umstrukturiert werden müssen. Wenn die bis dahin eigenständigen Unternehmen sich in einer neuen, großen Firma zusammengetan hätten, dann hätte diese Firma Zuschüsse bekommen können.

Die GmbH klagte vor dem Landgericht - und bekam recht: Das Gericht sah eine Amtspflichtverletzung bei der Behörde. Es sprach jedoch nur ein Grundurteil, ohne die Schadenssumme genau zu beziffern. Und gegen dieses Grundurteil ging das LfL in Berufung, am Mittwoch trafen sich die Anwälte am Oberlandesgericht.

Thomas Steiner, der Vorsitzende Richter, sagte gleich, dass sein Senat dem Landgericht nicht folgen wolle: Soweit er das sehe, habe es unterschiedliche Meinungen zwischen zwei staatlichen Behörden gegeben, nämlich dem Finanzministerium und dem LfL. Und da könne der Bürger nicht erwarten, dass er über einen solchen Dissens unterrichtet werde. Außerdem: Wenn die Umstrukturierung, wie von Zeugen in der ersten Instanz angegeben, doch so vorteilhaft gewesen wäre - warum sei sie dann nicht angegangen worden, unabhängig von der Aussicht auf Subventionen?

Georg Schumacher, der Anwalt der Kläger, versuchte noch den Senat umzustimmen, indem er Einblicke in die Metzgerseelen gab: Altehrwürdige Familienbetriebe, denen falle es nicht so leicht, die Eigenständigkeit aufzugeben. Der Vorsitzende zeigte sich davon wenig beeindruckt, schlug den Vertretern des Freistaats aber trotz der für sie aussichtsreichen Rechtslage vor, zur "Wiedererlangung des Rechtsfriedens" freiwillig Geld zu bezahlen: fünf Prozent der Schadenssumme, was je nach Ausgangspunkt irgendetwas zwischen 20 000 und 50 000 Euro bedeuten kann. Vier Wochen haben die Beamten nun Zeit, darüber nachzudenken.

© SZ vom 22.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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