Prozess:Arzt stellt jahrelang falsche Gutachten für Taxi- und Busfahrer aus

  • Ein 69-jähriger Mediziner ist zu acht Monaten auf Bewährung verurteilt worden, weil er Taxi- und Busfahrern fälschlicherweise ihre Fahreignung bestätigte.
  • Weil ihm das nötige Computerprogramm zu teuer war, testete der Mann die Fahrtauglichkeit schlicht mit einem eigenen - ungenauen - System.
  • Vor Gericht zeigte der Arzt sich uneinsichtig.

Von Christian Rost

Ein Münchner Arzt hat Taxifahrern und anderen gewerblichen Kraftfahrern in mindestens 100 Fällen falsche Gesundheitszeugnisse ausgestellt und damit "nicht nur kriminell, sondern auch verantwortungslos gehandelt", wie der Münchner Amtsrichter Andreas Schätzl feststellte. Er verurteilte den 69-jährigen Wolfgang H. wegen des Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse zu einer achtmonatigen Freiheitsstrafe auf Bewährung.

Zudem darf der Mediziner in den nächsten drei Jahren keine Fahreignungsgutachten mehr erstellen. Der Mann kündigte nach dem Urteilsspruch an, in Rente zu gehen. Wolfgang H., der seit 40 Jahren praktiziert, hat sich auf Arbeitsmedizin spezialisiert und dabei vor allem Gutachten zur Fahreigenschaft von Berufskraftfahrern erstellt, die Personen chauffieren. Taxifahrer, die älter als 60 Jahre sind, müssen sich ihre psychologische Leistungsfähigkeit regelmäßig bescheinigen lassen, für Busfahrer gilt dies bereits ab dem 50. Lebensjahr.

Dass der Test bei ihm leicht zu bestehen war, sprach sich herum

H.s Münchner Praxis war bei dieser Klientel besonders beliebt. Von Ingolstadt bis Garmisch-Partenkirchen habe es sich herumgesprochen, so berichtete ein Polizeibeamter vor Gericht, dass der Test bei dem Arbeitsmediziner besonders leicht zu bestehen sei. Das lag aber nicht etwa daran, dass H. bestechlich gewesen wäre oder beide Augen zugedrückt hätte aus Gutmütigkeit. Vielmehr glaubte er, eine eigene stark vereinfachte und zudem finanziell günstige Methode bei der Untersuchung der Männer und Frauen anwenden zu können und nicht die vorgeschriebene.

Per Gesetz muss der Kraftfahrer seine Fahrtauglichkeit in einem standardisierten und normierten Verfahren unter Beweis stellen, wie ein verkehrspsychologischer Sachverständiger des TÜV vor Gericht erläuterte. Dafür ist das sogenannte "Wiener Testverfahren" auf dem Markt. Die Probanden sitzen vor einem Computer und sehen verschiedene Testaufgaben vor sich: Entweder müssen sie Farben unterscheiden oder in gestellten Verkehrssituationen richtig reagieren. Dabei tippen sie auf eine Konsole oder betätigen mit dem Fuß ein Schaltpedal.

Bei Wolfgang H. war das alles ganz anders: Weil ihm die Lizenzgebühr für das Computerprogramm - jeweils 400 Euro für 20 Untersuchungen - zu teuer war, druckte er sich die Testbilder aus dem Programm einfach aus und hielt sie den Probanden unter die Nase. Die mussten dann zum Beispiel mit dem Fuß auf eine Rezeptionsklingel treten, die ihnen der Arzt vor die Füße stellte, um ihre Reaktionsfähigkeit zu demonstrieren. H. saß mit einer Stoppuhr daneben, um die Reaktionszeit zu messen. Diese eigenwillige Untersuchungsmethode hatte für die Kraftfahrer zwei Vorteile: Sie war ungenau und kostete nur 40 Euro.

Wie der Schwindel aufflog

Der Arzt zeigte sich vor Gericht völlig uneinsichtig und betonte, er sei durchaus in der Lage, die Testergebnisse richtig zu interpretieren. Dass er tatsächlich falsche Gesundheitszeugnisse ausstellte, fiel zunächst beim Landratsamt des Landkreises München auf. In der Führerscheinstelle hatten Mitarbeiter festgestellt, dass in sämtlichen Gutachten H.s aus den Jahren 2014 und 2015 dieselben Testergebnisse standen. Alle Kraftfahrer, die sich bei ihm hatten untersuchen lassen, kamen beim psychologischen Test und auch beim Sehtest auf dieselben Werte.

Das Landratsamt meldete das der Regierung von Oberbayern, die bei einer Prüfung in zahlreichen anderen Landratsämtern ebensolche immer gleichen Gutachten des Mediziners entdeckte: 101 Fälle klagte die Staatsanwaltschaft schließlich an.

Wie viele Berufskraftfahrer tatsächlich auf den Straßen unterwegs sind, die sich bei H. begutachten ließen und die den echten Fahreignungstest möglicherweise nicht bestanden hätten, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Bei der Abklärung der Fälle wird der Arzt der Regierung von Oberbayern wohl auch nicht mehr helfen. Auf erste Nachfragen habe H. "unwirsch und unwillig" reagiert, berichtete ein Regierungsamtsrat im Zeugenstand.

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