Provozierendes Wahlplakat der CSU:"Damit Sie nicht der Nächste sind!"

Ude-Herausforderer Josef Schmid greift Rot-Grün mit einem Gewaltposter zur Jugendkriminalität an. Dabei gerät er unter heftigen Druck.

Jan Bielicki und Susi Wimmer

Die CSU hat Bilder des brutalen Überfalls auf einen Pensionär in der U-Bahn auf ein Wahlplakat gesetzt - und damit einen Eklat ausgelöst. Als "Tiefpunkt der politischen Kultur" bezeichnete Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) das christsoziale Poster, das die Aufnahmen einer Überwachungskamera zeigt.

Man werde das Motiv "flächendeckend in München plakatieren", kündigte Josef Schmid, der OB-Kandidat der CSU, bei der Vorstellung des Posters an. Es zeigt unter der Überschrift "Keine Nachsicht für Gewalttäter" vier Standbilder aus jenem Film, den eine Überwachungskamera von dem Überfall kurz vor Weihnachten im U-Bahnhof Arabellapark drehte.

Zu sehen ist die Sequenz, in der die beiden Schläger den Rentner niederschlagen und überaus brutal auf ihn eintreten. Auf dem größten Bild haben die CSU-Wahlwerber die Umrisse des am Boden liegenden Opfers ausgeschnitten und in die Silhouette hineingeschrieben: "Damit Sie nicht der Nächste sind!"

Der CSU-Spitzenkandidat rechtfertigte die Plakataktion: Sie zeige, dass für die CSU "der Schutz der Opfer und die Sicherheit der Münchner Bürger Priorität hat", sagte Schmid. Es sei Aufgabe der Parteien, "die Sorgen, Ängste und Nöte der Bevölkerung ernst- und sich dieser anzunehmen". Das habe nichts mit Rechtspopulismus zu tun: "Von den Rechten grenzen wir uns klipp und klar ab."

Mit Empörung reagierten dagegen Politiker von SPD und Grünen auf diese CSU-Poster, die bereits am Mittleren Ring aufgestellt sind. Die Plakate seien eine "moralische Bankrott-Erklärung", sagte OB Ude. Die CSU versuche, "mit diesen Tatfotos aus einem schrecklichen Verbrechen politisches Kapital zu schlagen und den politischen Gegner für diese kriminelle Tat verantwortlich zu machen".

Dieses "unverantwortliche und unerträgliche" Vorgehen werde der CSU in "einer liberalen Stadt wie München nicht gut bekommen", erklärte Ude. Natürlich müsse nach dem "kriminellen Überfall" am Arabellapark über jugendliche Straftäter, schnellere Strafen und schnellere Abschiebung diskutiert werden, allerdings "seriös", forderte Ude.

Es sei bereits "die zweite derartige Entgleisung" der CSU, erinnerte Ude an das "Terrorzellen"-Poster aus dem Wahlkampf 2001. Damals hatte die CSU auf einem Plakat der Stadt vorgeworfen, Terrorverdächtigen die Miete zu zahlen. Nach heftiger Kritik aus der eigenen Partei war der damalige OB-Bewerber Aribert Wolf daraufhin von seiner Kandidatur zurückgetreten.

"Damit Sie nicht der Nächste sind!"

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Helmut Schmid forderte seinen CSU-Amtskollegen in einem offenen Brief auf, das Plakat zurückzuziehen. Er hielt Josef Schmid vor, er erwecke, "mit primitivster Stimmungsmache und wider besseres Wissen den Eindruck, es gäbe im Münchner Rathaus irgend jemanden, der für Nachsicht mit Gewalttätern plädiere".

"Schlichtweg widerlich" nannte der grüne Ratsfraktionschef Siegfried Benker das CSU-Plakat: "Das ist Wahlkampf auf NPD-Niveau." Es gieße "Wasser auf die Mühlen der Rechtsextremen, indem es sich deren abstruse Behauptungen über die Sicherheitslage in München zu eigen macht", erklärte Benker.

CSU-Wahlkampfleiter Helmut Pfundstein warf der SPD dagegen vor, das Thema Jugendgewalt zu "tabuisieren". Das Plakat zeige "keine schönen Bilder", so Pfundstein, "aber wir dürfen uns dieser Realität nicht verschließen."

Ob allerdings prügelnde Jugendliche in der U-Bahn die Realität in München widerspiegeln, daran hat sogar die Polizei ihre Zweifel. "Unsere U-Bahnen sind sicher", meinte Sprecher Wolfgang Wenger am Montag. Die Polizei wolle keine Hysterie schüren. Nur soviel sagte er auf die Frage, woher die CSU die U-Bahn-Bilder habe: "Ich schwöre: Wir waren es nicht." Tatsächlich wurden die Bilder "aus dem Internet abfotografiert", gab Robert Ippenberger von der Agentur Pro SC Branding Solutions an, die den Wahlkampfauftritt der CSU entwirft.

Bei der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG), vor deren Türen das Plakat ebenfalls aufgestellt wurde, ist man entsetzt: "Den Fahrgästen Angst einzujagen und sie von der Benutzung der U-Bahn abzuhalten, ist unverantwortlich", sagte Herbert König, der Vorsitzende der MVG-Geschäftsführung. Man habe die Bilder nur der Polizei zum Zwecke der Fahndung überlassen - und nicht der CSU für den Wahlkampf: "Wir werden rechtlich prüfen, ob die Verwendung der Bilder überhaupt legal ist."

Auch die SPD hat am Mittwoch ein neues Plakat geklebt - das seinerseits auf heftige Kritik der CSU stößt.

Nach der Entscheidung von Innenminister Joachim Herrmann, dass Volksbegehren gegen den Transrapid zum Flughafen als verfassungswidrig abzulehnen, griff Ude selber zum Klebepinsel: "Transrapid. CSU blockiert Volksbegehren. Jetzt erst recht", steht auf dem roten Poster. CSU-Chef Otmar Bernhard warf den Magnetzug-Gegnern "Roßtäuscher-Methoden" vor: Sie sähen den Volksentscheid ohnehin nur "als Wahlkampf-Vehikel", das jetzt allerdings "wegen Verfassungsschaden gebremst" sei.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: