Proteste gegen Video-Installation:Kirche im Visier

Ein Mann sitzt mit einer Pistole auf dem Altar der Schwabinger Erlöserkirche. Diese Video-Installation des Künstlers Felix Westner führte in der Gemeinde zu heftigen Protesten. Nun wird das umstrittene Werk wieder abgebaut. Dabei hatte der Kirchenvorstand den Künstler selbst eingeladen.

Thomas Kronewiter

Felix Leon Westner sitzt auf dem Altar der Erlöserkirche, hält eine Pistole in der Hand und zielt. Seine Hand pendelt leicht, aber er zielt doch erkennbar - ja, auf den Altar. Denn die Szene mit der Pistole ist ein Video-Loop, eine zweieinhalbminütige Endlosschleife auf einem großformatigen Bildschirm im rückwärtigen Teil des Kirchenraums. Und die Szene spiegelt den zentralen Kirchenraum wider.

Filmstill Felix Leon Westner

Die Videoinstallation des Künstlers Felix Leon Westner in der Erlöserkirche hat Proteste in der Gemeinde ausgelöst.

(Foto: Felix Leon Westner)

Seit die Erlöserkirche die Szene mit der Pistole in der Schwabinger Kirche zeigt, ist der Frieden in der evangelischen Gemeinde gestört. Und deswegen wird Felix Westners Video-Loop am Mittwochabend abgebaut.

Von "heftigsten Briefen" aus den Federn einer Handvoll Kritiker spricht Petra Piloty, Mitglied im Kirchenvorstand und Vorsitzende des Kunstausschusses, der regelmäßig Gegenwartskunst in die Erlöserkirche holt. Auch den angehenden Bildhauer Westner, Meisterschüler an der Akademie der Bildenden Künste bei Olaf Nicolai, hat der Kunstausschuss eingeladen, den Kirchenraum an der Münchner Freiheit zu bespielen, in Absprache mit dem Kirchenvorstand und Pfarrer Gerson Raabe.

Kunstausschuss und Kirchenvorstand haben dies gutgeheißen - wissend, dass Westner den Altar in seine Konzeptkunst einarbeiten wollte. Nicht wissend, wie genau dies geschehen würde.

Ursprünglich habe er ihn zum Schreibtisch umfunktionieren wollen, erklärt der Künstler. Voller Zeichnungen, gesäumt von Neonlampen habe er ihn inszeniert - doch dann sei ihm dies zu erklärend gewesen. Erklärend deshalb, weil zur Westner'schen Installation auch noch Zeichnungen gehören. Kreidezeichnungen, die er an die Innenwand der Kirche gestrichelt hat.

Assoziative Arbeiten, wie Westner sagt - Reflexionen, die anfangs oft Ablehnung auslösten, aus denen aufgeschlossene Betrachter aber mit der Zeit etwas für sich Eigenes herauslesen könnten. "Türen stellen Menschen in die Räume" steht auf einer Zeichnung, auf einer anderen "QuelleStrich, Fingernägel" - darunter dann "1. jetzt in bleich" - und ein Pfeil weist zurück auf den Anfang. Schwer zu verstehen zunächst, für die Kritiker aber nicht mehr als Gekritzel oder gar ein Übergriff in die Architektur Theodor Fischers.

Die Schwabinger Gemeinde hat heftig diskutiert, seit Westners Kunst vor vier Wochen in die Kirche kam. An einem Abend mit Befürwortern und Kritikern sei er mit seinen Erklärungen überhaupt nicht durchgedrungen, blickt Westner zurück. Auch im Kunstausschuss, der als Kompromissvorschlag nun für die Kreidekunst und gegen den Video-Loop votiert hat, sind nicht alle glücklich mit der für die nächsten Wochen halbierten Ausstellung.

Kunstausschuss-Mitglied Klaus von Gaffron, zudem Vorstand des Landesverbands Bayern im Berufsverband Bildender Künstler, war an dem Abend nicht anwesend - er hadert mit dem Kompromiss. Die Störung fest etablierter Erwartungshaltungen müsse in der Kunst möglich sein. Auch in der Kirche dürfe es nicht bloß Kuschel-Kunst geben.

Und gerade diese Video-Arbeit, findet Gaffron, passe in die Zeit, in der eine Gesellschaft von Terrorismus in einem Umfeld bedroht werde, in dem sie nie damit gerechnet habe. So hat Westner seine Installation zwar gar nicht gemeint - er wollte vielmehr in der Tradition von Hunter S. Thompson abstrahierend auf sich selbst zielen - auf den Altar, auf dem er gerade eben noch selbst gesessen habe.

Doch dass Gaffron die Szene so interpretiere, findet er faszinierend. So würde er sich die Auseinandersetzung mit seinen Arbeiten wünschen. Sie darf so aber nicht mehr stattfinden. An das Video erinnert dann nur mehr ein kleines Täfelchen, der Loop wandert in den Kunstkeller der Galerie 84 Gigahertz.

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