Protest 13 Jahre nach Magazin-Bericht:Wenn Jura-Professoren klagen

1999 tauchte er namentlich als Randfigur in einem "Spiegel"-Artikel auf, der den Titel "Störfaktor Student" trägt. 13 Jahre später hat der emeritierte Jurist nun dagegen geklagt - und dem Münchner Landgericht eine unvergessliche Verhandlung beschert.

Ekkehard Müller-Jentsch

Oft heißt es, Ärzte seien die schwierigsten Patienten. In diesem Sinne könnte man nach einer Verhandlung am Dienstag vor dem Oberlandesgericht feststellen, dass Jura-Professoren mitunter die schwierigsten Kläger sind: Ein früherer Münchner Uni-Lehrer dürfte dem Presse-Senat eine unvergessliche Verhandlung beschert haben. Nicht nur, dass sich der Professor mit einer Dekade Verspätung über einen Artikel im Nachrichtenmagazin Spiegel aufregt. Das zunehmend kapriziöse Verhalten des Pensionärs dürfte es dem Gericht auch nicht leicht gemacht haben, stets mit dem gebotenen Gleichmut zu agieren.

Der Hochschullehrer war 1999 namentlich als Randfigur in einem Artikel erwähnt worden, der den Titel "Störfaktor Student" trägt: Aufgezeigt werden sollte laut Überschrift das Verhalten so mancher Professoren, die angeblich "raffinierte Abwehrstrategien gegen den Ansturm der Studierenden entwickelt" haben. Dem Münchner Professor wurde darin nachgesagt, Vorlesungen "n.V.", also nach Vereinbarung festgesetzt zu haben - einen Termin festzulegen sei den Studenten dann aber oft nicht gelungen. In dem Artikel wurde unter Berufung auf Studenten die Zuverlässigkeit dieses Akademikers in Zweifel gezogen.

Länger als zehn Jahre will der mittlerweile emeritierte Juralehrer nichts davon gewusst haben. Er habe den Spiegel abbestellt gehabt, erklärte der Betroffene nun vor Gericht. "Hat Ihnen denn kein Bekannter gesagt, dass Sie im Spiegel stehen?", wunderte sich die Vorsitzende des 18. Zivilsenats. Nein, das habe erst seine Frau im Internet entdeckt. "Und was im Internet ist, kann man nicht mehr tot kriegen", zischte er dann in den Gerichtssaal. Da gebe es doch "Millionen Exemplare auf Tausenden von Rechnern".

In erster Instanz hatte das Landgericht München I dem Professor nur teilweise Recht gegeben. Nachdem die Autorin im Zeugenstand einräumen musste, dass ihr ein Fehler unterlaufen sei, verpflichtete das Gericht den Spiegel, künftig nicht mehr zu behaupten, dass der Professor Vorlesungen nach Vereinbarung angeboten habe. Das sei ehrenrührig: "Ein Lehrstuhlinhaber wird in der öffentlichen Meinung herabgewürdigt, wenn man ihm unterstellt, Lehrveranstaltungen nur zum Schein anzubieten." Seminare n.V. anzubieten, sei dagegen nicht ehrenrührig.

Das Landgericht rügte auch, dass der Professor trotz Ladung zu keiner Verhandlung erschienen sei und "es auch nicht für nötig befunden" habe, sich zum Zwecke einer Entschuldigung persönlich zu erklären.

In der Berufungsverhandlung vor dem Oberlandesgericht erschien der von Krankheit gezeichnete Mann nun. Er gab zu verstehen, dass er zutiefst verbittert sei und nicht nur den kompletten Widerruf verlange, sondern auch ein Schmerzensgeld für "die Straftat" anstrebe.

Dann folgte ein bizarrer Wechsel von Erklärungen, Aussageverweigerungen und Widerrufen. Schließlich stimmte er, nach einem wilden Wechsel von Ja und Nein, widerwillig und widerruflich einem Vergleich zu: Der Spiegel-Artikel soll anonymisiert werden. Sollte dieser Kompromiss aber nicht halten, wird das Gericht im November ein Urteil verkünden

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