Protest der Referendare:Flashmob für mehr Lehrerstellen

Protest der Referendare: Statt im Klassenzimmer unterrichten zu dürfen, versammeln sich die Referndare zum Flashmob am Marienplatz.

Statt im Klassenzimmer unterrichten zu dürfen, versammeln sich die Referndare zum Flashmob am Marienplatz.

(Foto: Robert Haas)

"Als billige Arbeitskräfte missbraucht": Mehr als 300 Referendare protestieren auf dem Marienplatz dagegen, wie sie behandelt werden. Auch im Internet formiert sich massiver Widerstand gegen die Einstellungspolitik an Schulen.

Von Franziska Nicolay

Mehr als 300 Lehramts-Referendare haben am Samstag auf dem Münchner Marienplatz gegen die bayerische Bildungspolitik protestiert. Sie fordern ein Umdenken im nur wenige hundert Meter entfernten Kultusministerium, das für viele von ihnen keine Arbeit hat. Die Referendare, die sich über Internet zu diesem "Flashmob" verabredet hatten, waren aus ganz Bayern angereist. Vor gut einer Woche haben die meisten von ihnen erfahren, dass sie von Mitte Februar an arbeitslos sein werden: Von 800 Referendaren, die ihre Ausbildung zum Schulhalbjahr abschließen, haben nur 170 eine Stelle bekommen.

Gegen 15 Uhr stellen sich die Teilnehmer des Flashmobs hinter einer roten Kreidelinie auf, die sich vom Rathaus einmal um die Mariensäule zieht. Die Linie soll die Hürde repräsentieren, die sie nicht nehmen konnten. Schon seit Tagen formiert sich im Internet Widerstand gegen die Einstellungspolitik der Landesregierung. Eine Gruppe mit dem Namen "Bewegung in Bildung" hat am Dienstag eine Facebook-Seite ins Leben gerufen. Sie hat inzwischen mehr als 5300 Mitglieder. Die Idee dazu hatten fünf Nachwuchslehrer aus München, die ihre Namen nicht nennen wollen, weil sie noch beim Freistaat angestellt sind. "Hintergrund ist, dass selbst manche Kollegen mit einem Notenschnitt von 1,0 keine Stelle erhalten haben", sagt einer der Initiatoren. "Mit der Facebook-Gruppe wollten wir zunächst nur schauen, ob es anderen auch so geht. Die Resonanz war dann aber so groß, dass wir uns entschlossen haben, das Engagement auszubauen", sagt er.

Es gehe den Referendaren nicht darum, über die bevorstehende Arbeitslosigkeit zu jammern. "Es geht darum, dass wir ja an den Schulen sehen, dass dringend mehr Lehrer benötigt werden", sagt der Pädagoge, der Englisch und Geschichte unterrichten will. Ein anderer ergänzt: Die Wochenstundenzahl der Referendare an Gymnasien sei vor Jahren von elf bis zwölf auf 17 angehoben worden, weil damals Lehrermangel herrschte. Obwohl sich das längst geändert hat und es mittlerweile viel zu viele Pädagogen gibt, fährt das Kultusministerium die Stundenzahl nicht zurück. "Wir werden als billige Arbeitskräfte missbraucht und dann in die Arbeitslosigkeit geschickt", sagt einer der Initiatoren.

Lena Steier (Name geändert) hat sich aus Frust und Ärger der Facebook-Gruppe angeschlossen. Mit einem Schnitt von 1,6 in den Fächern Englisch und Geschichte hat auch sie keine Stelle ergattert. "Ich habe 2006 angefangen zu studieren. Damals waren die Aussichten noch ganz gut", sagt sie. "Ich hatte während meines Referendariats fünf Geschichtsklassen und wurde namentlich von meiner Schule angefordert", sagt Steier. Entgegen der Aussagen des Kultusministeriums hätten die Gymnasien sehr wohl Bedarf an Lehrern. Das Kultusministerium stopfe die Löcher aber mit immer neuen Referendaren, weil sie billiger sind als fertig ausgebildete Pädagogen.

Von den Passanten erhalten die Referendare am Samstag viel Zuspruch. An der Schule seiner Kinder fielen sehr viele Stunden aus, sagt beispielsweise der 43-jährige Gerhard Brückler. Dass viele hoch qualifizierte Kräfte nun ohne Job dastünden, sei für ihn deshalb nicht nachvollziehbar. Auch eine Schülergruppe findet, dass an ihrem Gymnasium in München viel zu wenige Pädagogen seien.

Im Kultusministerium sieht man keinen Bedarf, neue Lehrerstellen zu schaffen. Die Schülerzahl sei schließlich gesunken, heißt es dort. Die Referendare hätten außerdem wissen können, dass die Anstellungschancen zumindest für bestimmte Fächerkombinationen sehr schlecht sind. "Wir haben vor mehr als fünf Jahren die Lehrerbedarfsprognose geändert", sagt Spaenles stellvertretender Sprecher. Aus der neuen Prognose gehe hervor, dass weniger Stellen für die Fächer in den Geisteswissenschaften und modernen Fremdsprachen zur Verfügung stehen. Trotzdem begännen nach wie vor viele ein Lehramtsstudium ohne sich Gedanken über die Wahl ihrer Fächer zu machen.

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